Infobrief Nr. 494 (49. Ausgabe in diesem Jahr)

1. Presseschau

Kultusministerkonferenz stärkt Deutschunterricht

Bild: pixabay / fotoblend | Pixabay-Lizenz

Die „Bildungssprache Deutsch‟ gehörte zu den Schwerpunktthemen der nun endenden hessischen Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz mit Bildungsminister Alexander Lorz an der Spitze. Unterstrichen wird dieser Schwerpunkt durch den Beschluss einer Empfehlung: „Bildungssprachliche Kompetenzen in der deutschen Sprache stärken‟. Darin enthalten sind auch zehn „Grundsätze einer erfolgreichen Stärkung bildungssprachlicher Kompetenzen‟. Eine davon ist sinnvoller als die andere, wenn auch etwas hölzern formuliert: „Sprachliche Bildung ist Querschnittsaufgabe aller an schulischer Bildung Beteiligten und durchgängiges Unterrichtsprinzip in allen Fächern, Lernbereichen und Lernfeldern; entsprechende Angebote des Ganztags bieten hier zusätzliche Potentiale‟, lautet Grundsatz Nr. 2 oder „Sprachliche Bildung und Sprachförderung tragen zu einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung und Welt- sowie Wertorientierung bei.‟ (Grundsatz Nr. 3). Das geht alles in die richtige Richtung, stellt aber den VDS noch nicht zufrieden. Denn die VDS-Arbeitsgruppe „Deutsch in der Schule‟ unter der Leitung von Claus Maas hatte sich bei der Formulierung der Grundsätze eingebracht und unter anderem gefordert, dass „Sprachnormen wieder eine stärkere Vermittlungsverbindlichkeit erhalten‟, oder dass sprachliche Kreativität durch das Vorstellen sprachlicher Vorbilder sowie durch aktives Einüben sprachlicher Muster gefördert werde.

Minister Lorz will seine Empfehlungen in Hessen sogleich umsetzen und führt eine zusätzliche Deutsch-Stunde in der Grundschule sowie verpflichtende Vorlaufkurse vor der Einschulung ein. Geplant ist zudem eine „Kompetenzstelle Orthografie‟. (kmk.org, vds-ev.de)


Weniger Dialektsprecher im Osten

Größere Mobilität verdrängt die Dialekte des Deutschen. Zu diesem Ergebnis kommen Sprachwissenschaftler aus Bern, Zürich und Salzburg, die eine Dialekt-Umfrage aus dem Jahr 2015 ausgewertet haben (auch der VDS-Infobrief hatte damals zur Teilnahme aufgerufen). 770.000 Menschen hätten daran teilgenommen. Abgefragt wurden damals 24 Wörter oder Wendungen, unter anderem, ob man die Uhrzeit 10.15 Uhr mit „viertel nach zehn‟ angibt oder „viertel elf‟, oder ob Kugeln aus Hackfleisch „Bulette‟, „Klops‟ oder „Fleischpflanzerl‟ heißen. Die Ergebnisse wurden dann mit Umfragen aus den 1970er Jahren verglichen. Besonders stark zeige sich der Rückgang der Dialekte in Ostdeutschland, fanden die Forscher heraus. Dagegen sei die Zahl der Dialektsprecher in Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein recht stabil. (spiegel.de, volksstimme.de)


Für kulturellen Austausch und gegen Abschottung

Das Goethe-Institut stellt mit seinen 157 Instituten, die sich über 98 Länder verteilen, eine kulturelle Botschaft Deutschlands im Ausland dar. Ihm kommt die Aufgabe zu, als Mittler zwischen den verschiedenen Sprach- und Kulturräumen zu vermitteln. Vor diesem Hintergrund wies der Präsident des Instituts Klaus-Dieter Lehmann auf einen Mangel an ausgebildeten Deutschlehrern im Ausland hin.

Diese seien aber notwendig, um ausländische Fachkräfte auf ihren Einsatz in Deutschland vorzubereiten oder ausländischen Studierenden – im Sinne des akademischen Austauschs – ein Studium an einer deutschen Hochschule zu ermöglichen.

So entwickelt das Goethe-Institut zurzeit gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin ein digitales Studienkolleg, welches niedrigschwellige Angebote bereitstellen soll. Gleichzeitig betont Lehmann, dass Tendenzen des Nationalismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Antisemitismus entschieden entgegengetreten werden müsse.

Das Goethe-Institut habe lange Zeit dafür gearbeitet, ein aktuelles Deutschlandbild zu zeichnen und international partnerschaftliche Verhältnisse aufzubauen. Dies sei nur möglich gewesen „durch die verantwortungsvolle Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit“.

Weitergehend solle die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union ausgebaut werden. So steht in Palermo die Eröffnung eines deutsch-französischen Kulturinstituts an. Im aktuellen Kulturprogramm des Goethe-Instituts stehen dabei Themen wie Nachhaltigkeit

und Dekolonisierung. Vor allem das letztere Thema dürfte der neuen Direktorin des Goethe-Instituts, der Ethnologin Carola Lentz, zupasskommen. Sie soll das Amt ab dem 19. November 2020 bekleiden. (migazin.de)


2. Unser Deutsch

Bundesrat professional

Am 29. November 2019 hat der Bundesrat einem ‚Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung‘ zugestimmt. Dort werden – ergänzend zu den bekannten Titeln Handwerksmeister und Fachwirt – neue englische Bezeichnungen eingeführt: Bachelor Professional und Master Professional. Das soll, so die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, die beruflichen Chancen der deutschen Handwerker im Ausland verbessern. Die KMK, die Kultusministerkonferenz der deutschen Länder, hat dies abgelehnt, ebenso die Hochschulrektorenkonferenz. Beide konnten das Gesetz nicht verhindern.

Was ist so fragwürdig an den neuen Namen? Zunächst: Brauchen wir überhaupt solche englischen Zusatzbezeichnungen? Besteht ein tatsächlicher Bedarf? Die Ministerin ist konkrete Nachweise schuldig geblieben. Offenbar wird die duale Ausbildung, dies Flaggschiff des deutschen Bildungssystems, als veraltet, nicht mehr zeitgemäß angesehen. Durch englische Fachbegriffe soll es nun moderner werden. Gegen diesen ministeriellen Zungenschlag haben die Betroffenen empfindlich reagiert. Es hätte genügt, für die deutschen Fachbezeichnungen englischsprachige Äquivalente zu bestimmen, die in Übersetzungen anzuwenden sind.

Der andere Punkt betrifft die neuen Ausdrücke selbst. Sie sind in vielfacher Hinsicht fragwürdig: syntaktisch, semantisch und phonetisch. Das nachgestellte professional ist englischen Berufsbezeichnungen abgeguckt, es markiert einen beruflichen Abschluss. Nur werden im Deutschen adjektivische Attribute niemals nachgestellt, außer im Volkslied vom Röslein rot. Im Übrigen bezeichnen Bachelor und Master in der angelsächsischen Welt ausschließlich akademische Ausbildungen. Ebenso wie in Deutschland, seit sie hier eingeführt wurden. Es ist eine Erfindung des Bildungsministeriums, sie für die berufliche Ausbildung in Anspruch zu nehmen. Offenbar sollen die neuen Anglizismen gerade die Gleichwertigkeit beruflicher Ausbildung mit der akademischen hervorheben. Das kann jedoch deren tatsächliche Verschiedenheit nicht beseitigen. Die Adaption akademischer Titel für eine nicht-akademische Ausbildung ist eine überflüssige Schönfärberei. Auch die Äquivalenz ist fragwürdig. Wieso, fragen betroffene Handwerksmeister, ist der Meister kein Master und nur ein Bachelor?

Hinzu kommen weitere Schiefheiten: Das englische professional ähnelt zu sehr dem deutschen, aus dem Latein entlehnten professional, das semantisch mit professionell identisch ist. Das aber hat die allgemeine Bedeutung von ‚berufsmäßig‘ wie im Ausdruck professioneller Sportler. Oder es deutet besondere Könnerschaft an wie in professionelle Arbeit. Mit der beruflichen Ausbildung hat sie nichts zu tun. Und wie soll man professional aussprechen? [prǝ‘feʃǝnǝl] als Anglizismus oder [profεsio‘na:l] als lateinisches Lehnwort?

Sachlich verfehlt und sprachlich misslungen: Das sind die neuen Zusatzbezeichnungen der beruflichen Ausbildung. Die politische Vertretung der deutschen Bundesländer hat sich damit einen neuen Titel erworben: Bundesrat professional.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


3. Kultur

Günter Grass: Ein Rückblick

Einer der bekanntesten Schriftsteller Deutschlands und zweifelsohne ein Mann, der Einfluss genommen hat – als Multitalent und Moralist wird Günter Grass vom NDR bezeichnet. Lange Zeit galt er als moralische Instanz in der Bundesrepublik, geriet in seinen späteren Lebensjahren aber gelegentlich in die Kritik. Bekannt wurde Grass 1959 durch seinen Roman „Die Blechtrommel“. In seinen jungen Jahren studierte er zunächst Grafik und Bildhauerei, dem Schreiben war er jedoch auch schon zugetan. Mit 28 Jahren fand er bei einem Lyrikwettbewerb des Süddeutschen Rundfunks erste öffentliche Anerkennung. Anfangs verfasste er vor allem Kurzprosa, Gedichte und Theaterstücke.

In den 60er Jahren wurde Grass zunehmend politisch aktiv, was sich auch in seinen Werken aus dieser Zeit widerspiegelte. Er ging für die SPD auf Wahlkampftournee und repräsentierte den Typus des linksliberalen Intellektuellen, der sich antidemokratischen Praktiken verweigerte. 2006 gestand er erstmals, als 17-jähriger zur Waffen-SS einberufen worden zu sein, was zu einer großen Debatte in deutschen und internationalen Medien führte. Einige Jahre später kritisierte Grass außerdem die Politik Israels sowie deutsche Waffenlieferungen an das Land, und äußerte sich positiv zur Flüchtlingssituation. „Ich bin überzeugt, dass in der Breite der Bevölkerung die Bereitschaft für Flüchtlinge, die hier Zuflucht suchen, weit größer ist, als in den Medien dargestellt wird.“

Auch die deutsche Sprache kam in seinen Werken nicht zu kurz. 2010 erschien „Grimms Wörter. Eine Liebeserklärung“ – ein Werk, das sich der Lebensgeschichte der Brüder Grimm widmete und zugleich eine Liebeserklärung an die deutsche Sprache war. 2015 starb Grass im Alter von 87 Jahren. Kurz darauf erschien sein Band „Vonne Endlichkait“. (ndr.de)


Sprachwissenschaftler und Richter uneins

Dem Rapper Felix Blume alias Kollegah wird Antisemitismus vorgeworfen. Mehreren Zeilen in dem Lied „0815“ auf dem inzwischen indizierten Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ (JBG3), das Kollegah zusammen mit Farid Bang Ende 2017 herausbrachte, hat nun das Landgericht Saarbrücken die öffentliche Aufführung untersagt und damit der Klage eines Saarländers stattgegeben, der sich durch die Zeilen in seinen Grundrechten eingeschränkt sah.

Auch Wissenschaftler des Mannheimer Instituts für deutsche Sprache haben den Text des Liedes begutachtet, kommen aber zu einem anderen Ergebnis: Demnach seien die kritisierten Zeilen als Witz zu verstehen. Laut aktueller Humorforschung sei der Kern eines Witzes nämlich nicht die gelungene Pointe, sondern seine „syntaktische und semantische Funktionsweise“, beispielsweise eine Mehrdeutigkeit, zitiert die Saarbrücker Zeitung die Sprachforscher. In der Begründung geht es um „Punchlines‟, „Frames‟ und „Battle-Rap‟. Alles in allem könnten die Autoren keinen „systematischen Antisemitismus“ erkennen. Kenner der Rapszene hätten die „Spielregeln des ungestraften, witzigen Beleidigens derart verinnerlicht“, dass sie die Zeilen nicht wortwörtlich nähmen, so die Autoren.

Derzeit ist Kollegah mit einem neuen Album auf Tour und trifft an seinen Spielstätten auch auf Protest gegen Gewaltverherrlichung in der Musikkultur. (saarbruecker-zeitung.de)


4. Berichte

Schreibwettbewerb zum Thema Wiedervereinigung

Im schlesischen Tschenstochau/Częstochowa konnten Schüler am Regionalen Zentrum für Lehrerfortbildung „WOM“ an einem Wettbewerb zum Thema „Deutschland früher und heute: 30 Jahre Mauerfall (1989-2019)“ teilnehmen. Die Einrichtung wollte mit diesem Thema Interesse an der Geschichte Deutschlands unter den Jugendlichen wecken. „Das ist gelungen‟, schreibt die Lehrerin Dorota Liberda. Es nahmen 60 Schüler und Schülerinnen der Oberstufe teil. Als Preise wurden Buchgeschenke überreicht, die der VDS zur Verfügung gestellt hatte. (womczest.edu.pl)


5. Denglisch

Neue „Stayery“ eröffnet

Eine junge Hotelkette hat in Bielefeld einen neuen Standort eröffnet. In Berlin gibt es bereits ein Gebäude, nun ist in Bielefeld ein weiteres dazugekommen. Das Konzept der Unterkunft soll einladend für Geschäftsreisende, Pendler oder Wochenendtouristen sein. Modern und minimalistisch ist die Ausstattung – und entsprechend einfach auch der Name: „Stayery“ nennt sich die Hotelkette. Eine englische Wortneuschöpfung, die es so im Englischen gar nicht gibt. Für eine aus Deutschland stammende Marke hätte man sich doch sicherlich auch einen schönen deutschen Namen einfallen lassen können. (ahgz.de)


6. Termine

20. Dezember, Region 50/51 (Köln)
VDS-Jugend-Stammtisch
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Brauhaus am Dom in Köln
Anmeldung nötig unter: vds-stammtisch@web.de

9. Januar, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

16. Januar, Region 10 – 16 (Berlin/Brandenburg)
VDS-Jugendstammtisch in Berlin mit Besuch des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor
(offen für Mitglieder und Noch-nicht-Mitglieder bis 40 Jahre)
Zeit: 16:30 Uhr
Weitere Details folgen.

24. Januar, Region Österreich (Wien – Verein Muttersprache)
Hauptversammlung des Vereins Muttersprache mit anschließendem Festvortrag: Recht und Sprache
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Bezirksmuseum Floridsdorf, Prager Str. 33, 1210 Wien, Österreich

29. Januar, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Frank Reimer

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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