Infobrief vom 10. Januar 2020: Deutsche Schimpfwörter werden zunehmend sexueller

1. Presseschau

Deutsche Schimpfwörter werden zunehmend sexueller

Bild: Karl-Heinz Laube / PIXELIO

„Du Arsch“ oder „Scheiße“ – Deutsche haben, wenn es um Schimpfwörter geht, traditionell eine Vorliebe für Fäkalsprache. Doch diese „Tradition“ bröckelt, hat der Sprachwissenschaftler André Meinunger festgestellt. Immer häufiger würden sexuelle Beleidigungen genutzt, um dem Gegenüber zu sagen, wie wenig man von ihm hält. Dabei hält auch das englische „Fuck“ verstärkt Einzug in den Schimpf-Gebrauch – das deutsche Pendant „Fick dich“ ist aber ebenfalls geläufig. Vor allem jüngere Menschen greifen eher zu sexualisierten Schmähungen. Damit passen sie sich nicht nur dem englischsprachigen Raum an, sondern auch dem Rest Europas, denn auch Italiener, Spanier oder Holländer greifen eher zu sexuellen Beleidigungen. Ein weiterer Grund: Viele junge Menschen sehen Filme und Serien mittlerweile in der englischen Originalsprache – und dort gehört „Fuck“ mittlerweile „zum guten Ton“. (n-tv.de)


Reaktionen auf Gender-Doppelpunkt

Vergangene Woche machte der Gender-Doppelpunkt die Runde: Die Stadt Lübeck hat sich einen neuen Leitfaden gegeben, um mit Beginn des neuen Jahres gendergerecht zu kommunizieren. Davon betroffen sind alle städtischen Texte, egal ob Flugblatt, interne Hausmitteilung oder Rechtstext. Der VDS hat auf diesen Vorstoß reagiert – die Resonanz in der Presse war beeindruckend. Hier nur eine Auswahl der Artikel: sueddeutsche.de, focus.de, kommunal.de.


Gequälter Mund voller Konsonanten

Seit drei Jahren ist Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten und hat seitdem so viele persönliche, amerikanische und weltpoltische Kontroversen verursacht wie keiner seiner Amtsvorgänger. Nicht nur seinen erklärten Gegnern, sondern auch vielen anderen verschlägt Trumps Politik mitunter die Sprache. Eine Journalistin des Wochenmagazins New Yorker suchte nun nach einem Wort, das ihre Gefühle zum Trumpismus am besten beschreibt. Ein „gequälter Mund voller Konsonanten‟ sollte es sein. Fündig wurde sie in der deutschen Sprache: „Trumpregierungsschlamasselschmerz‟ lautete ihr Vorschlag. Da das kaum ein US-Amerikaner aussprechen kann, wurde daraus „Trumpschmerz‟. Man darf gespannt sein, ob das Wort einen festen Platz im US-Amerikanischen einnehmen wird wie Schadenfreude, wunderbar oder über. (ksta.de)


Schwer oder schwierig

In der ersten „Deutschstunde‟ des Jahres 2020 in der Hamburger Morgenpost beschäftigt sich Elbschwanenorden-Träger Peter Schmachthagen mit dem Unterschied zwischen „schwer‟ und „schwierig‟. Ob die Antwort schwer oder schwierig ist, ist dem Kolumnisten egal, denn in vielen Fällen sind beide Eigenschaftswörter gleichbedeutend. Aber es gibt einige wesentliche Unterschiede: Ein schwerer Kopf nach Silvester (Brummschädel) ist etwas anderes als ein schwieriger Kopf (komplizierter Zeitgenosse). (morgenpost.de)


2. Unser Deutsch

Weihnachten

Weihnachten, das global gefeierte Fest kurz vor dem Jahresende, liegt hinter uns, mit Geschenken für die Jungen, auch manche Eltern, mit Familientreffen, Festmahl und Stress, und für viele nach wie vor mit dem Besuch eines Gottesdienstes.

Werfen wir, ganz untheologisch, einen Blick auf das Wort, auf den Namen des Festtages. Ze den wīhen nahten ist die ursprüngliche mittelhochdeutsche Form. Dreierlei bedarf hier eines Kommentars: der Plural, das Adjektiv wīh und das Substantiv naht. ‚An den heiligen Tagen‘ – so lässt sich der mittelhochdeutsche Ausdruck übersetzen. Gefeiert wurde also schon eh und je an mehreren Tagen, beginnend mit dem Heiligen Abend. Auch heute bezieht sich Weihnachten zumindest auf diesen und die beiden folgenden Tage, den sogenannten Ersten und Zweiten Weihnachtstag, in Deutschland traditionell arbeitsfreie Feiertage, am meisten geschätzt, wenn sie auf Wochentage fallen. Den ursprünglichen Plural erkennen wir nicht mehr, er ist zwar in der festen Namensform bewahrt, dort aber gleichsam fossilisiert, das heißt versteinert.

Ähnliches gilt für das erste Glied des Namens, die Form weih-. Es geht zurück auf das mittelhochdeutsche Adjektiv wīh ‚heilig‘, das seit dem 16. Jahrhundert ausgestorben ist und nur noch in Kirchenwörtern wie Weihwasser, Weihrauch und Weihbischof fortlebt. Es wurde durch heilig ersetzt, so auch im Heiligen Abend. Bewahrt ist wīh in dem Substantiv Weihe, es lebt auch in den Verben weihen und einweihen fort. Wir finden es in der Kirchweih und auch in der ostdeutschen Neuprägung Jugendweihe, meist also säkularisierten Phänomenen, die sich aber des gehobenen Tons, einem semantischen Rest einstiger Heiligkeit, bedienen.

Bleibt die Frage, was Weihnachten mit der Nacht zu tun hat. Gar nichts, wenn wir unter Nacht die heutige Bedeutung ‚Zeitraum von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang‘ meinen. Ursprünglich hatte das Wort auch eine zweite Bedeutung. Es bezog sich auf 24 Stunden, ähnlich wie unser Tag heute teils ‚die helle Zeit‘ (im Gegensatz zur Nacht), aber auch den ganzen Tag bezeichnen kann. Beide Bedeutungen sind gängig. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, heißt es im Sprichwort, oder Tages Arbeit, abends Gäste! bei Goethe. Der ganze Tag ist in unseren Wochentagsnamen von Montag bis Sonntag gemeint, auch in zahlreichen festen Wendungen wie dem Tag der offenen Tür oder Zeitangaben wie in vierzehn Tagen. Ähnlich hatte ursprünglich auch Nacht diese doppelte Bedeutung von ‚dunkler Tageszeit‘ (im heutigen Sinne) sowie ‚24 Stunden‘. Das lebt noch in englisch fortnight ‚14 Tage‘ fort, auch in Fastnacht, dem ‚Tag vor der Fastenzeit‘.

Weihnachten, ursprünglich die Bezeichnung heiliger Tage, ist zum Eigennamen für die Tage vom 23. bis 25. Dezember geworden, auch für jene, die den christlichen Glauben nicht mehr teilen. Es ist die Eigenart von Eigennamen jeglicher Art, dass mit der Beschränkung auf eine einzige Sache, eine einzige Person, einen einzigen Ort, die Semantik, welche am Anfang der Prägung stand, ausgeblendet wird zugunsten der eindeutigen Identifizierung. Allenfalls bleibt ein Anklang, ein Nachhall ursprünglicher Bedeutung übrig, den jede Predigt, welche an den historischen, den religiösen Anlass erinnert, wachzurufen sucht. So dürfen wir uns jedes Jahr wieder auf Frohe Weihnachten freuen.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

3. Kultur

Schreiben in fremden Sprachen

Nicht jeder Autor, der auf Deutsch schreibt, hat die Sprache tatsächlich als Muttersprache gelernt. Immer häufiger finden sich im Buchhandel Bücher, die von Autoren stammen, deren erste erlernte Sprache nicht Deutsch ist. Das Besondere: Es sind keine Übersetzungen – vielmehr haben sich diese Autoren bewusst dazu entschieden, in einer für sie einst fremden Sprache zu schreiben. Der Autor Abbas Khider floh mit 23 Jahren aus dem Irak. Er hat Deutsch als Sprache für seine Romane gewählt, um Distanz zu schaffen. Schriebe er auf Arabisch, käme all das Leid hoch, das er erlebt habe. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl dieser Autoren gestiegen – und viele von ihnen wurden ausgezeichnet, gerade weil ihre Erlebnisse, Eindrücke und persönliche Hintergründe sowohl die Gesellschaft, als auch die Buchwelt bereichern. (fr.de)


4. Denglisch

Zeitungsleser beschwert sich über Anglizismen

Ein Leser der Süddeutschen Zeitung konnte aufgrund der vielen englischen Wörter den Text nicht mehr verstehen und hat sich bei der Redaktion beschwert: „Ich kann wenig Englisch und das unvollkommen!“ Er habe keine Lust, im Wörterbuch oder Internet nach den Begriffen zu suchen, und schlage vor, die Übersetzung künftig mitzuliefern. Seine Beschwerde galt den „World Skills“ – blöderweise ein Begriff, der tatsächlich im Text erklärt war, nämlich handelt es sich dabei um die „Weltmeisterschaft der Ausbildungsberufe“. In diesem Fall also leider unberechtigtes Meckern. Ansonsten geben wir dem Leser aber recht, und an dieser Stelle sei auf den Anglizismenindex des VDS hinzuweisen, der genau für solche Fälle Übersetzungen für gängige Anglizismen liefert. (sueddeutsche.de)


Wiener Tourismus setzt auf englische Begriffe

Auf einer Pressekonferenz in Wien wurde kürzlich ein neues Zeitalter für den Tourismus eingeläutet: „Visitor Economy Strategie 2025“ nennt sich das Konzept. In der dazugehörigen Broschüre wimmelt es nur so von Anglizismen. Es ist die Rede von „Place Making“ und „Place Marketing“, von einer „Meeting Destination“ und von „Smart Solutions“. Die Werte, nach denen man sich ausrichten will, sind „Premium, Cosmopolitan und Digital“. Was mit diesen ganzen Begriffen eigentlich gemeint ist, weiß noch keiner so genau – aber hauptsache Englisch, denn das klingt ja modern. Ein klein bisschen mehr kann man sich unter der in der Broschüre genannten Vision für die Zukunft vorstellen: „Quality of Life, of Place and of Experience“. In welche Richtung sich der Wiener Tourismus entwickeln wird, soll außerdem das sogenannte „zukunftsweisende Destinationsmanagement“ beeinflussen. (european-news-agency.de)


5. Termine

10. Januar, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)

13. Januar, Region 20/22 (Hamburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg

16. Januar, Region 04 (Leipzig)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Universität Leipzig (Raum A122), Augustusplatz 9, 04109 Leipzig

16. Januar, Region 10 – 16 (Berlin/Brandenburg)
VDS-Jugendstammtisch in Berlin mit Besuch des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor
(offen für Mitglieder und Noch-nicht-Mitglieder bis 40 Jahre)
Zeit: 16:30 Uhr
Anmeldungen erbeten an: vds-stammtisch@web.de

17. Januar, Region 40 (Düsseldorf)
Vortrag im Rahmen eines Männerfrühstücks: Deutsch – ein Pflegefall? Neues zur Sprachentwicklung
Referent: Dr. Holger Klatte
Zeit: 9:30 – 12:00 Uhr
Ort: Versöhnungskirche der Evangelischen Kirchengemeinde Lank, Mönkesweg 22, 40670 Meerbusch

24. Januar, Region Österreich (Wien – Verein Muttersprache)
Hauptversammlung des Vereins Muttersprache mit anschließendem Festvortrag: Der Reformator Martin Luther – Formator der deutschen Sprache
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Bezirksmuseum Floridsdorf, Prager Str. 33, 1210 Wien, Österreich

27. Januar, Region 50/51 (Köln)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln

28. Januar, Region 01 (Dresden, Riesa)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Ortsamt Dresden-Loschwitz, Grundstr. 3, 01326 Dresden

29. Januar, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus

30. Januar, Region 67/68/69 (Rhein-Neckar)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Kyffhäuser – Das Gasthaus, Ladenburger Str. 38, 69120 Heidelberg

5. Februar, Region Österreich (Wien)
Stammtisch des Jungen VDS
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Siebensternbräu, Siebensterngasse 19, 1070 Wien

7. Februar, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Ausstellungseröffnung mit Karikaturen von Friedrich Retkowski (im 1. OG)
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Stadtbibliothek Solingen, Mummstr. 10, 42651 Solingen

10. Februar, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)

10. Februar, Region 20/22 (Hamburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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