Infobrief vom 14. Februar 2020: Weniger Gehalt für Dialekt-Sprecher

1. Presseschau

Weniger Gehalt für Dialekt-Sprecher

Dr. Stephan Barth / pixelio.de

Wer Dialekt spricht, verdient weniger. Das hat eine wirtschaftswissenschaftliche US-Studie herausgefunden. Das Forscher-Team hat untersucht, wie sich die aktive Benutzung einer Mundart in Deutschland auf die Lohntüte auswirkt. Das Ergebnis: Wer einen starken regionalen Akzent hat, verdient im Schnitt 20 Prozent weniger als jemand, der Hochdeutsch spricht. Dialektsprecher gelten zwar gemeinhin als temperamentvoller und freundlicher, gleichzeitig werden sie aber auch als weniger gebildet wahrgenommen. Vor allem ist es deswegen schwieriger für Dialektsprecher, in Führungspositionen Fuß zu fassen.

Auch in anderen Ländern gab es bereits Untersuchungen, die zu vergleichbaren Ergebnissen kamen. Ob die Ergebnisse der US-Studie sich aber auf die Gesamtbevölkerung anwenden lassen, ist aufgrund der geringen Teilnehmerzahl fraglich. Hinzu kommt, dass unter den 950 Befragten nur 114 Dialektsprecher waren. (welt.de, rnd.de)


Wissenschaftliche Mehrsprachigkeit

Unter dem Titel „Wissenschaft: Es muss nicht immer Englisch sein.“ publizierten die Romanistin Lidia Becker und die Sprachsoziologin und Linguistin Elvira Narvaja de Arnoux, beide keine Deutsch-Muttersprachler, in der Süddeutschen Zeitung ein Plädoyer für Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft. Da Deutsch im englischen Mainstream untergehe, sei es höchste Zeit, genau dies in der Wissenschaft jetzt zu verhindern. „45 von 100 international relevanten naturwissenschaftlichen Publikationen weltweit waren 1920 auf Deutsch verfasst. 2005 waren es zwei“, heißt es in der SZ. Jedoch dürfe weder „die Sorge um die deutsche Wissenschaftssprache der AfD überlassen werden“, noch dürfe „der verständliche Impuls, der AfD zu widersprechen, von einem ernstlichen Problem ablenken (…): das sprachpolitische Nichtstun muss ein Ende haben.“ Die Politik müsse der neoliberalen Begeisterung der meisten Hochschulleitungen, die unter ‚Internationalisierung‘ und ‚Mehrsprachigkeit‘ ausnahmslos ‚mehr Englisch‘ verstehen, endlich ein Konzept fachspezifischer Mehrsprachigkeit entgegensetzen. Deutsch als Wissenschaftssprache und die Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft seien zwei Seiten einer Medaille. Die Autorinnen machen dazu konkrete Vorschläge, die denen des Arbeitskreises Deutsch als Wissenschaftssprache e. V. (www.adawis.de) weitgehend entsprechen. (sueddeutsche.de)


Sprache mit Migrationshintergrund

Sprache lebt – und sie bewegt sich in alle Richtungen, ohne sich an Ländergrenzen zu halten. Die Franzosen haben sich von den Deutschen Begriffe wie „schnorchel“ und „wasistdas“ unterjubeln lassen – und auch im Deutschen gibt es viele Begriffe, die zwar auf den ersten Blick deutsch wirken, jedoch aus anderen Sprachen eingewandert sind und über viele Jahre, teils Jahrzehnte, eingedeutscht wurden. Die „Hängematte“ erscheint zwar schlüssig als deutsches Wort, kommt aber von dem haitianischen/karibischen/lateinamerikanischen „hamaca“. Und auch das Wort „Tante“ hat einen Umweg vom Lateinischen über das Französische bis hin zum Deutschen genommen (lat. amita – Vaterschwester => frz. ante => dt. Tante). Paul Jandl plädiert in seiner humoresken Glosse in der NZZ für einen entspannten Umgang mit Fremdwörtern. (nzz.ch)


2. Unser Deutsch

Wann geht’s los?

Ein Leser hat mir eine schwierige Frage gestellt: wie ist das Verhältnis von losgehen zu den alteingesessenen Wörtern anfangen und beginnen? „Wann geht’s hier los?“ fragt der Kinobesucher, aber in der Ankündigung heißt es: „Beginn … Uhr“. Damit stoßen wir bereits auf einen wesentlichen Unterschied. Losgehen gibt es nur als Verb, während anfangen und beginnen einen Kranz von Weiterbildungen besitzen, die eine Wortfamilie bilden. Das hängt mit ihrem Alter zusammen. Schon im Althochdeutschen steht neben dem Verb anafāhan das Substantiv anafang, neben dem Verb biginnan das Substantiv bigin. Diese Art der Konversionsbildung, also des Wortartwechsels, ist noch heute produktiv. Aus dem Verb frühstücken wurde das Frühstück, aus (sich) stauen der Stau. Weiter gibt es das Adverb anfangs (aus dem Genitiv von Anfang) und (jünger) die Ableitung anfänglich, schließlich die agentive Ableitung Anfänger. Damit ist das Wortfeld soweit gefüllt, dass Ableitungen von beginnen nur am Rande vorkommen: Die Substantivierung der Infinitivform das Beginnen („das ist ein hoffnungsloses Beginnen“) und neuerdings Beginner, wohl eine Entlehnung aus englisch beginner, womit bei der Einstufung für den Sprachunterricht die abwertende Nebenbedeutung von Anfänger umgangen wird.

Beim Vergleich von anfangen und beginnen im 10-bändigen Duden fällt auf, wie ähnlich sich die Bedeutungen sind. So wird anfangen mehrfach als ‚mit etwas beginnen‘ glossiert und beginnen mit ‚anfangen, einen Anfang machen‘. Die Unterschiede sind minimal und hängen zumeist vom Kontext ab. Dabei bezeichnet anfangen oftmals den unmittelbaren Anfang (einen Brief anfangen, einen Streit anfangen). Das zeigt auch die umgangssprachliche Wendung für einen Flirt („Hast Du was mit ihr angefangen?“). Anfangen ist mindestens noch teilweise durch das Präfix an- motiviert, also durchsichtig. Das fehlt bei beginnen. Es ist völlig undurchsichtig und im Übrigen auch etymologisch unklar. Meistens wird es in einem allgemeineren Sinnbenutzt („der Dienst beginnt um 8.30 Uhr“).

Wie hebt sich losgehen davon ab? Zunächst durch eine relativ junge Bildungsweise mit der präfixartigen Partikel –los, wie sie auch in losfahren, loslegen, loslassen, lospreschen, losschlagen und so weiter vorkommt. Ursprünglich hatte das Adverb los, verwandt mit lösen, die Bedeutung ‚nicht befestigt‘, die sich weiter zu ‚frei von‘ entfaltete. Zumeist steht der plötzliche Beginn einer Handlung im Vordergrund: „Auf die Plätze, fertig, los!“ heißt es in Wettkämpfen der Leichtathletik. Auch sonst begegnet unser Wort oft in fester Wendung: „Wann geht’s los?“ „Gleich geht’s los“. Solchen Beginn zeigen auch Wendungen wie „Der Schuss geht los“, „Er ging mit dem Messer auf ihn los“.

Was ist interessant an diesem Thema? Es zeichnet sich eine gewisse Hierarchie zwischen den drei Verben ab: beginnen: unmotiviert, unspezifisch, anfangen: teilmotiviert, auf einen unmittelbaren Anfang bezogen, losgehen: metaphorisch motiviert, schlagartiger Beginn, umgangssprachlich. Eines wurde bei dieser kleinen Recherche überdeutlich: Die außerordentliche Bedeutungsvielfalt fast jedes deutschen Wortes, aber auch die Leistung der Lexikographen, dies aus Texten zu ermitteln und in knappen Wörterbuchartikeln darzustellen. Ein Werk sei hier stellvertretend gelobt und zur regelmäßigen Benutzung empfohlen: Hermann Paul, Deutsches Wörterbuch. Bedeutungsgeschichte und Aufbau unseres Wortschatzes. 10. überarbeitete und erweiterte Auflage von Helmut Henne, Heidrun Kämper und Georg Objartel. Max Niemeyer: Tübingen 2002. Übrigens hat mich der Schöpfer der Neubearbeitung, Helmut Henne, aufs Losgehen hingewiesen.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

3. Kultur

Sachsen fördert sorbische Sprache

Etwa 60.000 Sorben leben in Deutschland – der Großteil davon in der Lausitz in Sachsen. Jedoch wird davon ausgegangen, dass von diesen 60.000 nur ein gutes Drittel ihre Sprache im Alltag aktiv nutzt. Die Unesco listet das Sorbische als bedrohte Sprache auf. Deshalb hat Sachsen nun eine Kampagne zur Förderung ins Leben gerufen. Unter dem Titel „Sorbisch? Na klar“ soll Aufmerksamkeit für die sorbische Sprache erzeugt werden und die Akzeptanz sowie Wertschätzung ihres Gebrauchs in der Öffentlichkeit gesteigert werden. „Unsere Vision ist eine Lausitz, in der Sorben und Deutsche einander mit Offenheit, Respekt und Toleranz begegnen“, so die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) über die Kampagne. Die sorbische Sprache solle als gemeinsamer Schatz verstanden und sichtbarer gemacht werden. (mdr.de, freiepresse.de)


4. Berichte

Deutsche Sprachtage 2020 in Dortmund

Vom 25.–27. Juni finden die Deutschen Sprachtage 2020 in Dortmund statt – der Stadt, in der der Verein Deutsche Sprache e. V. 1997 gegründet wurde. Den Auftakt macht am Donnerstag, den 25. Juni 2020 ab 9 Uhr morgens eine Bildungsfahrt mit Stationen rund um die Themen Kohle, Bier und Fußball. Die Eröffnungsveranstaltung ist am Freitag, 26. Juni 2020 in der DASA (Arbeitswelt Ausstellung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin). Die Delegiertenversammlung ist am Samstagmorgen, den 27. Juni 2020 in einem Gebäude der TU Dortmund.

Wir freuen uns auf viele Teilnehmer aus Nah und Fern und bitten die Delegierten und Gäste, sich möglichst bald ein Hotel zu suchen. Dortmund ist zwar mit Hotels gut ausgestattet, durch Messen und andere Veranstaltungen sind günstige Zimmer aber oft schnell weg.


VDS auf der Leipziger Buchmesse

Die Leipziger Buchmesse 2020 steht vor der Tür. Vom 12.-15 März sind die Sprachfreunde vom VDS und IFB-Verlag zu finden in Halle 5 Stand E 101. (leipziger-buchmesse.de)


Verein Muttersprache zum Gender-Leitfaden der Universität Wien

Das Rektorat der Universität Wien hat im Dezember 2019 eine „Leitlinie für „geschlechterinklusiven Sprachgebrauch“ erlassen. Dazu äußerte sich der Verein Muttersprache, der sich, wie auch der VDS, gegen rechtschreibwidrige und unaussprechliche Sprachverformungen einsetzt, die unter dem Vorwand der Geschlechtergerechtigkeit als sogenannte Leitfäden verordnet werden. Der Leitfaden der Universität Wien sei „zweckwidrig, weil er dem Ziel der Gleichstellung der Geschlechter nicht dient, sondern den Widerstand breiter Bevölkerungskreise erregt; gesetzwidrig, weil er den geltenden Rechtschreibregeln widerspricht; asozial, weil er Keile zwischen Generationen, Regionen und Bildungsschichten treibt; bildungsfeindlich, weil er Spracherwerb und Integration von Neubürgern behindert‟, so Dieter Schönagel, Obmann des Vereins Muttersprache. (unsertirol24.com, muttersprache.at)


5. Denglisch

Deutsche Namen in englischer Verkleidung

Häufig verrät der Name einer Person etwas über ihre Herkunft. Jedoch sollte man sich nicht vorschnell in die Irre führen lassen, stellt Rainer Haubrich in einem Artikel der Welt klar. Ein Beispiel dafür ist der deutsche Ur-Berliner und Jude James Simon, nach dem die James-Simon-Galerie in Berlin benannt wurde. Obwohl er an der Spree geboren wurde, wird sein Nachname meist seinem Vornamen angepasst und Englisch ausgesprochen. Genauso beim kürzlich verstorbenen Fotografen Peter Lindbergh. „Lindbergh“ war zwar bloß sein Künstlernachname, den er sich in Anlehnung an den amerikanischen Piloten Charles Lindbergh zulegte – aber dennoch: Wieso man den Namen eines Deutschen in Deutschland nicht einfach Deutsch aussprechen könne, ist Haubrich ein Rätsel. Letztes Beispiel: die deutsche Schauspielerin Diane Kruger, geborene Heidkrüger. Auch sie klingt unter Deutschen in der Aussprache meist so: „Daiään Kruuger“ – und das, obwohl sie sich selbst sogar eher als Französin sieht. (welt.de)


6. Termine

14. Februar, Region 24 (Kiel, Flensburg)
Mitgliedertreffen, anschließend Mythenerzählung: Thor bei Utgardloki
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Hohenzollern, Moltkestraße 41, 24837 Schleswig

16. Februar, Region 07 (Saalfeld)
Filmvorführung: Thüringen, deine Sprache
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Orangerie im Schlosspark, Halbe Gasse 20, 07318 Saalfeld

17. Februar, Region 04 (Altenburg)
Filmvorführung: Thüringen, deine Sprache
Zeit: 14:30 Uhr
Ort: Capitol-Kino, Teichplan 16, 04600 Altenburg

20. Februar, Region 18 (Rostock)
Regionalversammlung mit Fernsehvorführung: Dieter Nuhr Jahresrückblick 2019
(Anmeldung erforderlich)
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

26. Februar, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus

27. Februar, Region 18 (Rostock)
Vortrag von Otto Ringel: Humorvoller Streifzug durch die deutsche Sprache
(Anmeldung erforderlich)
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

27. Februar, Region 70/71/73/74 (Stuttgart, Nordwürttemberg)
Regionalversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Brauereigaststätte Dinkelacker, Tübinger Str. 46, 70178 Stuttgart

29. Februar, Region 72/78 (Bodensee/Ostschwarzwald)
Mitgliedertreffen
Zeit: 15:00 Uhr
Ort: Café Reiter, Haldenstr. 11, 78166 Donaueschingen

9. März, Region 20/22 (Hamburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg

10. März, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)

11. März, Region Österreich (Wien)
Stammtisch des Jungen VDS
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Four Bells, Schleifmühlgasse 2, 1040 Wien, Österreich

12. – 15. März, Region 04 (Leipzig)
Infostand auf der Leipziger Buchmesse
Ort: Leipziger Messe, Messe-Allee 1, 04356 Leipzig

16. März, Region 80 (München)
Vortrag: Die Auseinandersetzung mit der Despotie in einer aktuellen Rezeption des West-Östlichen Divan
Referent: Dr. Edvin Cami, VDS-Regionalvertreter in Tirana/Albanien
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Internationales Begegnungszentrum der Wissenschaft München e. V., Amalienstr. 38, 80799 München

19. März, Region 18 (Rostock)
Vortrag: Das Grenzjubiläum und die Sprachen der dänisch-deutschen Grenzregion
Referentin: Ulla Weinreich M.A., Leiterin der Region Dänemark, Kopenhagen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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