Doppeldeutigkeit der Formulierung überzeugt die Jury
Die Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook Ende September war ein Schock für tausende Urlauber – sie strandeten entweder am Urlaubsort oder standen plötzlich vor der Tatsache, dass sie gar nicht erst in Urlaub fliegen konnten. Die Insolvenz sorgte in den Medien für ein lautes Echo, das auch in der Schlagzeile mündete, die der Verein Deutsche Sprache (VDS) jetzt zur Schlagzeile des Jahres gekürt hat: „Baden gehen mit Thomas Cook – Gestrandet am Goldstrand, abgewiesen am Münchener Flughafen: Wie deutsche Urlauber die Pleite des Reiseveranstalters erleben“ – erschienen am 29. September 2019 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
„Die Formulierung spielt gekonnt mit den freudigen Erlebnissen, die ein Urlaub normalerweise mit sich bringt, und präsentiert sich dann als Doppeldeutigkeit vor dem Hintergrund einer Insolvenz, von der plötzlich tausende Unbeteiligte betroffen sind“, erklärt der Jury-Sprecher und Vorsitzender des VDS, Prof. Walter Krämer. Die Bildhaftigkeit der Erlebnisse hat die Jury überzeugt, sie wählten diese Schlagzeile daher zur Schlagzeile des Jahres 2019.
Tiefgründigkeit durch minimale Umstellung von Worten
Auf Platz 2 landete die Schlagzeile „Leid durch Freud: Die Irrungen der Psychoanalyse“ aus der August-Ausgabe der Zeitschrift Cicero. Hier gefiel der Jury vor allem die Einfachheit, mit der ein geflügeltes Wort durch eine minimale Umstellung eine neue Tiefgründigkeit erfuhr. Platz 3 geht an die Schlagzeile „MAUTSCH! – Die geplante ‚Ausländer-Maut‘ auf deutschen Autobahnen endgültig vom Europäischen Gerichtshof gestoppt: Was ihre bayerischen Erfinder dazu sagen“, erschienen am 19. Juni 2019 in der TAZ. Sie punktete mit einer frischen Kombination von zwei sonst für sich allein stehenden Worten.
Knappe Wahl
Die Wahl zur Schlagzeile des Jahres 2019 ging denkbar knapp aus. Die drei Schlagzeilen auf dem Siegertreppchen trennt jeweils nur ein Punkt voneinander. „Das zeigt uns, dass das sprachliche Spiel, das hinter allen drei Schlagzeilen steckt, von den Jury-Mitgliedern fast identisch als besonders gekonnt wahrgenommen worden ist“, resümiert Krämer.
Die Aktion „Schlagzeile des Jahres“ gibt es seit 2010, der erste Sieger war damals „Krieger, denk mal!“ Dieses Jahr sind bei der Jury 75 Vorschläge eingegangen. Die Jury besteht aus dem Vorsitzenden des Vereins Deutsche Sprache, Prof. Walter Krämer, dem Tübinger Rhetorikprofessor Gert Ueding, den Journalisten und Autoren Wolf Schneider und Franz Stark, der Journalistin Dorota Wilke sowie den Sprachwissenschaftlern Horst Haider Munske und Helmut Glück. Die ersten 30 Plätze der eingereichten Schlagzeilen gibt es hier.