Infobrief Nr. 472 (27. Ausgabe in diesem Jahr)

1. Presseschau

Notenabzug bei Rechtschreibfehlern

Bild: pixabay / klimkin | Pixabay-Lizenz

Rechtschreibung ist nicht nur im Schulfach Deutsch wichtig, sie bildet eine grundlegende Kompetenz im Leben. Bisher gab es in Schulfächern wie Biologie oder Erdkunde keine Minuspunkte für falsche Rechtschreibung. Künftig solle sich das ändern, kündigte das Kultusministerium an. Rechtschreibfehler in Klassenarbeiten sollen generell mit Notenabzug geahndet werden. Die Ausnahme: Kinder, die eine diagnostizierte Rechtschreibschwäche haben. Der Änderungsentwurf befindet sich aktuell noch in der Anhörungsphase, soll jedoch im Laufe des kommenden Schuljahres in Kraft treten. Für die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) führt die neue Regelung zu mehr Qualität an den Schulen: „Rechtschreibung ist eine elementare Kulturtechnik und gehört wie Lesen und Rechnen zu den Schlüsselqualifikationen.“ (stuttgarter-nachrichten.de)


Mehrheit für Deutsch als Leitfach

In der Grundschule muss die deutsche Sprache ein vorrangiges Lernziel bleiben – dieser Meinung waren 83 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage des Allensbach-Institutes, die im Auftrag der Roland-Berger-Stiftung durchgeführt wurde. Rund drei Viertel (76 Prozent) sprachen sich sogar dafür aus, Kindern mit Sprachproblemen verpflichtende Deutschkurse zu geben. Für sehr wichtig hielten die Befragten auch Allgemeinbildung (76 Prozent), Englischkenntnisse (74 Prozent) und gute Mathekenntnisse (66 Prozent).

Die VDS-Arbeitsgruppe „Deutsch in der Schule“ unter der Leitung von Claus Maas wird sich durch die Ergebnisse dieser Befragung bestärkt fühlen dürfen. (welt.de, vds-ev.de)


Diskriminierung durch Sprache

Die geschlechtergerechte Sprache soll Diskriminierung verhindern. Ob es diesem löblichen Wunsch nützt, wenn man zur Nachahmung von Sprachgewohnheiten genötigt wird, darf bezweifelt werden. Einen echten Zusammenhang von Sprache und Diskriminierung beobachtet hingegen Dervis Hizarci, der neue Antidiskriminierungsbeauftragte für Berliner Schulen. Als Lehrer erlebe er häufig, wie sich Jugendliche beschimpfen. Er möchte das Bewusstsein dafür stärken, wie viel Gewalt hinter Worten liegen kann und was Beleidigungen anrichten können. Bereits im Kindesalter sei für eine tolerante Sprache zu sensibilisieren. (tagesspiegel.de)


Frühforderung für Fremdsprachler

Früh übt sich, wer gut Deutsch sprechen will. In der Schweizer Stadt Chur werden Kinder mit Migrationshintergrund noch vor ihrem Eintritt in den Kindergarten gefördert, damit sie spätestens zu Schulbeginn über genauso gute Deutschkenntnisse verfügen wie ihre Klassenkameraden. Das Programm Deutsch für die Schule bringt Kindern in Spielgruppen, Kinderkrippen oder Tagesfamilien spielerisch Deutsch bei. Mindestens sechs Stunden pro Woche stehen auf dem Stundenplan. Während die Kinder lernen, können die Eltern an Bildungsveranstaltungen zur Sprachentwicklung, Gesundheit oder Freizeitgestaltung teilnehmen. Für das angehende Jahr haben Kinder aus 71 Familien eine Empfehlung zur Teilnahme erhalten – die am häufigsten vertretenen Nationalitäten waren dabei Albanisch und Portugiesisch. (grheute.ch)


Deutsch in den USA

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen gelten derzeit eher als kühl. Dies mag ein Grund für das Goethe-Institut sein für 2018/2019 in den USA das „Deutschlandjahr“ auszurufen – unter dem Motto „Wunderbar together“. Im ganzen Land findet eine Vielzahl von Projekten und Veranstaltungen statt. Dazu gehören „Goethe Pop-ups“ in Houston, Kansas City, Minneapolis und Seattle, also kleine Standorte des Goethe-Instituts, in denen seine Aufgaben zur Verbreitung der deutschen Sprache vorgestellt werden. Auch die Jacob-Grimm-Preisträgerin des Jahres 2009 Cornelia Funke ist als Botschafterin für die deutsche Sprache beim Deutschlandjahr eingebunden.

Über die Stellung der deutschen Sprache in den USA berichtet die Deutsche Welle, denn über 45 Millionen US-Amerikaner haben deutsche Wurzeln. Manche Nachfahren der Einwanderer aus dem 19. Jahrhundert sprechen bis heute Deutsch – insbesondere Pennsilfaanisch Deitsch, einen Dialekt, der seit 300 Jahren auf dem Lande in Pennsylvania gepflegt wird. (dw.com, goethe.de)


2. Unser Deutsch

Verborgene Anglizismen

Unter Anglizismen versteht man im allgemeinen Entlehnungen aus dem Englischen, die in Lautung, Schreibung, Wortbildung wesentliche Merkmale des Englischen bewahrt haben. Es sind Fremdwörter im Deutschen. Ähnlich spricht man von Latinismen, Gräzismen, Gallizismen (aus dem Französischen) und so weiter. Damit sind jedoch die Wirkungen des Sprachkontakts im Bereich des Wortschatzes nur unzureichend erfasst. Die Sprachkontaktforschung hat umfassend beschrieben, dass die Lehnübersetzung (neben der Entlehnung) das häufigste Verfahren sprachlicher Aneignung fremder Wörter darstellt. Ich illustriere das am Beispiel von englisch hotspur, das August Wilhelm Schlegel in Shakespeare’s Heinrich IV mit Heißsporn wiedergab. Dies Wort gab es zuvor im Deutschen nicht. Schlegel prägte es, indem er die beiden Glieder hot und spur ins Deutsche übersetzte und daraus die entsprechende Zusammensetzung Heißsporn bildete. Das neue Wort dankt seine Prägung dem englischen Vorbild, das durch Übersetzung seiner Glieder nachgebildet wurde. Das drückt der Terminus ‚Lehnübersetzung‘ aus.

Ähnlich können auch Wendungen nachgebildet werden wie zum Beispiel Essen auf Rädern nach englisch meals on wheels. Dieser anschauliche Begriff für die mobile Essensversorgung bedient sich des metonymischen Verfahrens, mit wheels einen Teil des Fahrzeugs für dieses sprechen zu lassen. Das konnte als Räder wörtlich übersetzt werden.Nur der englische Reim ging verloren. Nicht immer ist das Übersetzen der Glieder so einfach. In Wolkenkratzer nach englisch skyscraper wird sky mit Wolken übersetzt, weil deutsch Himmel mehrdeutig ist, sowohl den physischen wie den metaphysischen umfasst. Die Wolken als Teil des Himmels bieten hier einen genialen metonymischen Ersatz.

Das Besondere dieser Anglizismen ist: Morphologische Prägung und Bedeutung sind aus dem fremden Vorbild transferiert, aber die lexikalische Form der Glieder ist dank der Übersetzung einheimisch. Lehnübersetzungen haben in der Geschichte des Deutschen auch eine sprachpolitische Rolle gespielt, da durch diesen Transfer der Fremdheitscharakter von Entlehnungen überwunden wird. Häufig konkurrieren Lehnübersetzung und Entlehnung im Sprachkontakt. Das weite Verständnis des Fachterminus Anglizismus hat Broder Carstensen mit seinem Anglizismenwörterbuch (3 Bände, 1993-1996) geprägt. In ihm sind beide Seiten des aktuellen deutsch-englischen Sprachkontakts umfassend dokumentiert. Daraus drei weitere kulturhistorisch interessante Beispiele:

Barfußarzt ‚medizinischer Helfer in der Dritten Welt’, Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts entlehnt aus engl. barfoot doctor [ˈbɑ:rfʊt-], ursprünglich eine Bezeichnung für Bauern, die während der Kulturrevolution in China die Landbevölkerung (mit nur elementaren Fachkenntnissen) medizinisch betreuten und wie diese ‚barfuß’ auf den Reisfeldern arbeiteten (chin. chijiao yisheng).

Eiserner Vorhang ,unüberwindliche Grenze zwischen dem (ehemaligen) „sozialistischen“ sowjetischen Machtbereich und der übrigen überwiegend „kapitalistischen“ Welt’, dem engl. iron curtain nachgebildet (erste deutsche Belege 1946); der Ausdruck wird teils Winston Churchill (Rede am 5. März 1946), teils dem deutschen Außenminister Graf Schwerin-Krosigk, teils auch Josef Göbbels zugeschrieben; ursprünglich bezeichnete der Ausdruck im Deutschen den ‚Vorhang zwischen Bühne und Zuschauerraum zum Feuerschutz’.

empfindsam ‚von feinem Empfinden’, deutsche Übersetzung von engl. sentimental, die von der Gottschedin (1757) erstmals erwähnt, dann nach einer Empfehlung Lessings allgemein eingeführt und zu einem Leitwort der Epoche wurde; in einem Buchtitel begegnet es erstmals in J.J.Chr. Bodes Übersetzung von Laurence Sterne’s Sentimental Journey Through France and Italy als ‚Yoriks empfindsame Reise’; davon abgeleitet Empfindsamkeit; die Entlehnung sentimental aus engl. sentimental hat im Deutschen sehr bald die abwertende Bedeutung ‚übertrieben gefühlvoll’ angenommen.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


3. Ankündigungen

Neuerscheinungen im IFB-Verlag

Wolfgang Häring
Woisch no – odr hasch des au scho vrgessa?
Erinnerungen an die 50er Jahre und eine Liebeserklärung an das Schwäbische
160 Seiten, 12,00 Euro
ISBN 978-3-942409-80-3

Der Anglizismen-Index 2019
Deutsch statt Denglisch
herausgegeben von Achim Elfers
348 Seiten, 16,00 Euro
ISBN 978-3-931263-88-9


4. Kultur

Georg-Büchner-Preis

Der von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehene Georg-Büchner-Preis geht in diesem Jahr an den Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss. „In einer distinkten und dennoch rätselhaften Bildersprache, karg, klar und trennscharf, durchdringen sich nervöses politisches Krisenbewusstsein und die Fähigkeit zur Gesellschaftsanalyse“, erklärt die Jury ihre Wahl. Bärfuss sei ein herausragender Erzähler und Dramatiker der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Romane Hundert Tage und Koala sowie das Bühnenstück Die sexuellen Neurosen unserer Eltern. Der Georg-Büchner-Preis gilt als die wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland und wird am 2. November in Darmstadt verliehen. (br.de)


Von Musik zur Sprache

Um begeistert Sprachen zu lernen, muss manchmal nur der richtige Zugang gefunden werden. In einer Kooperation zwischen dem Hattinger Berufskolleg und der städtischen Musikschule haben Flüchtlinge gemeinsam mit Musikschullehrer Joe Doll ein deutsches Hip-Hop-Stück erarbeitet. Ziel des Projekts, so erklärt der Musikschulleiter Peter Brand, sei eine Annäherung an die deutsche Sprache über die Musik. „Weil Sprache sich über Musik viel besser und leichter lernen lässt.“ (waz.de)


5. Denglisch

Auf der Suche nach dem Exit

In großen, wirtschaftlichen Unternehmen wird ja bekanntlich oft auf Anglizismen zurückgegriffen. Eine Leserin der Sprachnachrichten wies uns auf einen Generaldirektor der Deutschen Bank hin, der in den Frühnachrichten des Nachrichtensenders N-TV das Wort „exit“ in einem Satz verwendete. Er sprach davon, dass eine wenig lukrative Quelle bald exit gemacht werden solle. Was heißt das überhaupt? Als Definition findet man folgendes: „Die Investoren oder ursprünglichen Gründer [verkaufen] bei einer guten Bewertung des Unternehmens ihre Unternehmensanteile, beispielsweise in Form eines Trade-Sales […] mit dem höchstmöglichen Gewinn.“ Auf der Suche nach einer Antwort stößt man also auf weitere Anglizismen. Und was passiert eigentlich, wenn diese Quelle exit gemacht wurde? Ist sie dann geexittet? (gruenderszene.de)


6. Schnipsel

Rechts ist, wo der Daumen links ist

Wer als rechts gilt, hat von links keine Nachsicht zu erwarten. Einem prominenten Kabarettisten wird neuerdings nachgesagt, er stünde „rechts‟. Sein Name sei hier Nebensache, nicht aber der liederliche Gebrauch der Sprache. Ist einer ein Rechtsextremer, dann mag man ihn so bezeichnen dürfen (wenn es denn zutrifft). Liegt aber nichts Schlimmeres vor, als politisch rechts von der Linken zu stehen, ist er vermutlich ein Konservativer und verdient es nicht, mit Rechtsextremen sprachlich in einen Topf geworfen zu werden. Bedeuteten „rechts‟ und „rechtsextrem‟ dasselbe, gäbe es dafür nicht zwei verschiedene Wörter.


7. VDS-Termine

18. Juli, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus „Zum Bauernhaus Biestow“, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

22. Juli, Region 50, 51 (Köln)
Regionalversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln

31. Juli, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

1. August, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Graftwerk, Mühlendamm 1a, 27749 Delmenhorst

8. August, Region 25 (West-Schleswig-Holstein)
Mitgliederversammlung mit anschließendem Vortrag „Deutsch im Wandel“
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gaststätte Tante Jenny, Schiffbrücke 12, 25813 Husum

12. August, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:15 Uhr
Ort: Gaststätte Kaiser-Treff, Hahnerberger Straße 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg

24. August, Region Österreich (Wien)
Stammtisch des Jungen VDS
Zeit: 20:00 Uhr
Ort: Café Ritter am Ottakring, Ottakringer Str. 117, 1160 Wien

28. August, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

29. August, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus „Zum Bauernhaus Biestow“, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Oliver Baer, Alina Letzel, Holger Klatte

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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