Infobrief 416 (22/2018): Buchpreisbindung vor dem Aus?

1. Presseschau vom 25. Mai bis 31. Mai 2018

  •  Buchpreisbindung vor dem Aus?
  •  Nützliche Füllwörter

2. Unser Deutsch

  •  Positiv = Negativ?

3. Berichte

  •  Gedenken an Lehrer Welsch
  •  Forschungsinstitut für deutsche Sprachgeschichte

4. VDS-Termine

5. Literatur

  •  Wie wird ein Buch zum Verkaufsschlager?

6. Denglisch

  •  Nachsitzen, Herr Trump
  •  Duden hat noch einen Anglizismus vergessen!

 

1. Presseschau vom 25. Mai bis 31. Mai 2018

Buchpreisbindung vor dem Aus?


Foto: Pixabay, User: MichaelGaida, CC0 1.0-Lizenz

Eigentlich soll die Preisbindung von Büchern die Buchhändler schützen und literarische Vielfalt garantieren. Aus Sicht der Monopolkommission schaffe sie jedoch keinen „kulturpolitischen Mehrwert“, wie diese in einem Sondergutachten in dieser Woche mitteilte. Kultusministerin Monika Grütters und der Börsenverein des deutschen Buchhandels zeigten sich empört. Die Preisbindung bewahre das „Kulturgut Buch, ohne den Wettbewerb unangemessen zu beschränken, weder für inländische noch für ausländische Händler“, betonte Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins. Die Monopolkommission begründete ihre Empfehlung hingegen damit, dass eine Preisbindung den Wettbewerb behindere und die Weiterentwicklung der Buchhändler unterbinde sowie die „Grundfreiheiten grenzüberschreitender Marktteilnehmer erheblich“ einschränke, berichtet die WELT. Sollte sich die Monopolkommission durchsetzen, befürchten Experten die endgültige Übernahme des Marktes durch große Ketten und den Verlust des kleinen Buchhandels. Der Börsenverein will nun mit eigenen Gutachten die Relevanz der Buchpreisbindung belegen. Die Ergebnisse werden 2019 erwartet. (spiegel.de, deutschlandfunkkultur.de, welt.de)

 

Nützliche Füllwörter

Bei Vorträgen oder in unerwarteten Situationen kommt man um Wörter wie „Äh“ oder „Ähm“ oft nicht herum. Und das aus einem ganz wichtigen Grund, erklärt Balthasar Bickel, Linguist an der Universität Zürich. Denn die Füllwörter ermöglichen dem Gehirn Denkpausen, die es benötigt, um das Sprechen vorzubereiten. Dieser Vorgang beginnt bereits beim Hören. Innerhalb von Millisekunden interpretiert der Mensch das gesagte Wort und versucht einen Satz zu vervollständigen, noch bevor er beendet wurde. Gleichzeitig bereitet der Zuhörende seine Antwort vor. „Es herrscht ein unglaublicher Zeitdruck in diversen Hirnarealen“, sagt Bickel. Füllwörter, aber auch Sprechpausen oder eine verlangsamte Sprechgeschwindigkeit dienen somit als Verzögerungstaktik – und das in allen Sprachen, wie Bickel in einer Studie mit neun vollkommen unterschiedlichen Idiomen herausfand. Gleichzeitig können zu häufig gebrauchte Füllwörter besonders bei Kindern ein Indiz für eine Sprachstörung oder einen verminderten Wortschatz sein, betont Isabelle Ryser, Vorstandsmitglied des Deutschschweizer Logopädenverbandes. In diesem Fall sei eine sprachliche Förderung vonnöten, in der Wortgruppen oder die Sprachmotorik des Kindes ausgebildet werden. Therapiebedürftig seien dennoch die wenigsten, beruhigt Ryser. Wer befürchtet, zu viele Füllwörter zu benutzen, könne seine Stimme aufnehmen und das Sprachverhalten selber trainieren. „Doch manchmal ist das gar nicht nötig“, findet Ryser, „denn kleine Marotten können auch charmant sein.“ (srf.ch)

 

Gendersprache: Pro und Contra

Die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT beschäftigt sich mit der Gendersprache. In einer Gegenüberstellung argumentiert die Pro-Seite für das geschlechtsneutrale Umformen der deutschen Sprache auf freiwilliger Basis – ohne gesetzlichen Zwang und Vorschriften. Der Journalist Ulrich Greiner übernimmt den Konterpart. Eine allgemeine Einordnung kommt von Ronald Düker. Darin erwähnt er auch eine Aktion des Vereins Deutsche Sprache, bei der massenhaft Postkarten an den Duden-Verlag geschickt wurden, um damit gegen einen im Hause Duden erschienenen Genderleitfaden zu protestieren. (zeit.de, VDS AG Gendersprache)

 

2. Unser Deutsch

Positiv = Negativ?

Sie erhielt die Nachricht, der Test sei leider positiv ausgefallen. Wieso ‚leider‘ fragt sich die Patientin? Ist positiv am Ende negativ? So ist es. Testberichte vermerken, ob ein Krankheitsbild, ein Bakterienbefall und was man alles aus Blut, Urin oder Schleimhaut ermitteln kann, vorhanden sei – dann nennen die Ärzte den Befund positiv. Die Beschreibung des Testergebnisses antwortet auf eine Testanordnung, nicht auf die Frage des Patienten: bin ich gesund oder krank? Ähnlich bei Dopingproben, deren positive Resultate eine Sportkarriere beenden können. Könnte man dies nicht auch anders sagen? Heute nennt man das kommunizieren. In der Tat geht es hier um die Kommunikation zwischen Arzt und Patient, Dopingtestern und Sportlern. Es geht um Betroffene, denen man in ihrer Sprache begegnen sollte, nicht der Fachsprache der Labortechnik. Positiv darf nicht negativ sein. Der ungünstige Befund muss auch einen entsprechenden Namen haben.

Das Testen ist überhaupt zum unentbehrlichen Instrument ärztlicher Diagnose geworden. Das müssen wir abklären, sagt der Arzt und empfiehlt zu prüfen, ob Herz und Nieren, Leber, Lunge oder Darm noch normal funktionieren. Irgendwo ist ja jeder Mensch krank. Wir werden es schon finden. Und wenn nichts war, dann bitte in einem Vierteljahr wieder vorstellen. Kritiker unseres Gesundheitswesens halten die vielen Vorsorgetests für ein geniales Arbeitsbeschaffungsprogramm der Ärzteschaft und der Pharmaindustrie. Frühzeitig anbahnende Erkrankungen entdecken und vorsorglich therapieren – das bringt Heerscharen von Fachärzten in Arbeit und unterstützt die heimische Medizintechnik, die immer teurere Geräte erfindet. Ihre Anwendung ist besonders bei Privatpatienten geschätzt.

Einst ging man zum Arzt, wenn es zwickte oder drückte, bei Unfall natürlich und ernster Sorge um ein schweres Leiden. Jetzt wird der Arztbesuch zur alltäglichen Pflicht, nicht nur der Zahnarzt verlangt das Organ seiner Disziplin zu begutachten und zu pflegen. Sie alle, alle wollen sich an dem Krankheitskuchen nähren. Den Apotheken und Drogerien machen neuerdings auch die Supermärkte mit ihren harmloseren, aber nicht billigen Mitteln Konkurrenz. Krankheit wird zum Normalzustand. Gesund dürfen sich nur jene fühlen, die noch nicht getestet wurden.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. Berichte

Gedenken an Lehrer Welsch

Die VDS-Regionalgruppe in Köln feierte den 170. Geburtstag des Kölner Pädagogen und Lehrers Heinrich Welsch (1848-1935), der auch Namenspatron des vom VDS in Köln verliehenen Lehrer-Welsch-Sprachpreises ist. Die Mitglieder versammelten sich zu einer Gedenkfeier am Grab von Heinrich Welsch auf dem Kalker Friedhof.

 

Forschungsinstitut für deutsche Sprachgeschichte

Zusammen mit Vertretern der Stiftung Leucorea, des Vereins WortWerkWittenberg und des Wittenberger An-Instituts Deutsche Sprache und Kultur der Martin-Luther-Universität hat VDS-Vorsitzender Walter Krämer in dieser Woche das Gründungsdokument der ersten zentralen Forschungsbibliothek für deutsche Sprachgeschichte unterzeichnet. Hauptstadt des Kooperationsprojekts wird Wittenberg sein, welches eng mit dem sprachlichen Wirken Martin Luthers verknüpft ist. (mz-web.de)

 

4. VDS-Termine

4. Juni, Region 20,22 (Hamburg)
Mitgliederversammlung der Regionalgruppe
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis (HH-Wandsbek), Pappelallee 61, 2208 Hamburg

4. Juni, Deutsches Musik Radio
„Wortspiel“ beim Deutschen Musikradio DMR mit Holger Klatte und Stefan Ludwig
Schwerpunkt: Migrantenliteratur
Sendungsseite: www.deutschesmusikradio.de/dmr/wortspiel/
Zeit: 20 bis 21 Uhr, Wiederholung: 23 Uhr

5. Juni, Region 84, 85 (Landshut, Niederbayern, Ingolstadt)
Lesung der „Sternstunden“ mit Prof. Dr. Walter Krämer (VDS-Vorstandsvorsitzender) und Josef Kraus. Im Anschluss findet eine Signierstunde und eine gemeinsame, öffentliche VDS-Regionalversammlung für die beiden Regionen 84 und 85 mit Wahl der Regionalleitungen statt.
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Buchhandlung „Pustet“, Altstadt 28, 84028 Landshut

6. Juni, Region 89 (Ulm)
Regionalversammlung
Zeit: 18:15 Uhr
Ort: Volkshochschule Ulm, Unterer Saal, Kornhausplatz 5, 89073 Ulm

7. Juni, Region 56 (Koblenz)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Kurt-Esser-Haus, 2. Stock, Markenbildchenweg 38, 56068 Koblenz

7. Juni, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen mit Vortrag von Wolfgang Hildebrandt über „Gendersprache“
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant „Luv“, Schlachte 15, 28195 Bremen

8. Juni, Region 61,63 (Bad Homburg, Offenbach, Hanau, Aschaffenburg)
Jahresversammlung mit Vortrag von Oliver Baer über „Taktische Fragen zum Gendern“
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Restaurant „Quellenhof“, Quellenstr. 21, 61118 Bad Vilbel

 

5. Literatur

Wie wird ein Buch zum Verkaufsschlager?

Dieser Frage widmet sich der Literaturkritiker Jörg Magenau in seinem Buch „Bestseller“, in dem er die Geschichte deutscher Bucherfolge nach 1945 beleuchtet. Nicht immer könne man die Verkaufszahlen eines Buches logisch erklären, meistens hänge sein Erfolg aber von der gesellschaftlichen Stimmung ab. Als Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg noch in Trümmern lag, stand die archäologische Fachliteratur über „Götter, Gräber und Gelehrte“ von Kurt W. Marek, in dem er die verschütteten Stätten Pompejis und Trojas untersuchte, über Jahrzehnte in der Sachbuchbestsellerliste. „In den Ruinenlandschaften der zerstörten deutschen Städte wirkten die verschütteten Überreste ferner Epochen besonders anziehend“, erklärt Magenau. Neben dem zeitlichen Bezug sei aber auch die Bekanntheit des Autors durch die Medien ein Garant für einen Bucherfolg, wie sich an Autoren wie Hape Kerkeling oder Eckart von Hirschhausen belegen lasse. Auch urmenschliche Sehnsüchte, wie beispielsweise das Bedürfnis nach Idylle oder dem Einklang mit der Natur beeinflussen die Literaturlandschaft besonders stark immer dann, wenn sich das Weltgeschehen diesem Wunsch diametral entgegengesetzt entwickelt.

Jörg Magenau: Bestseller. Bücher, die wir liebten – und was sie über uns verraten, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, 288 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-455-50379-1. (svz.de)

 

6. Denglisch

Nachsitzen, Herr Trump

Nach dem Attentat an einer Schule in Florida im Februar, bei dem ein 19-Jähriger 17 ehemalige Mitschüler und Lehrer tötete, schrieb die pensionierte Englischlehrerin Yvonne Mason einen Protestbrief an US-Präsident Donald Trump mit der Aufforderung um Anteilnahme. Zwar erhielt sie eine Reaktion aus dem Weißen Haus, unterzeichnet von Trump persönlich, jedoch schien dieser darin so erhebliche Probleme mit seiner eigenen Sprache gehabt zu haben, dass sie die Antwort kurzerhand korrigiert zurückschickte. „Falls dieser Brief in der Mittelschule geschrieben worden wäre, hätte ich ein C oder C plus gegeben, in der High School ein D“, erklärte Mason gegenüber der Presse. Damit hätte Trump gerade mal eine ausreichende Leistung erbracht. Neben einer Vielzahl von Fehlern in der Groß- und Kleinschreibung sei vor allem der Stil „fürchterlich“. Für die Nachhilfe des Präsidenten in Schreibangelegenheiten verwies Mason gleich noch auf plainlanguage.gov, eine von der US-Regierung offiziell empfohlene Internetseite für eine leichtere und verständlichere Sprache. (watson.ch, spiegel.de)

 

Duden hat noch einen Anglizismus vergessen!

In seinem Bestreben auch möglichst alle Anglizismen aufzunehmen, hat der Duden-Verlag tatsächlich einen Eintrag vergessen. In der RTL-Sendung „Wer wird Millionär?“ stieg ein Kandidat bei folgender 250.000-Euro-Frage zu seinem Unglück nicht aus: „Nach welchem Verb sucht man im Duden vergeblich?“ A: „liken“, B: „tindern“, C: „youtuben“, D: „facebooken“. Er entschied sich für die Antwort D, richtig wäre C: „youtuben“ gewesen.

Der VDS hat bereits 2013 den Duden als Sprachpanscher des Jahres ausgezeichnet und kritisiert aktuell den Duden für seine Propagierung des Gender-Deutsch. Zur Vervollständigung seiner Wörterbücher empfiehlt der VDS dem Duden im Übrigen seinen Anglizismenindex. (kino.de, vds-ev.de (Sprachpanscher 2013, pdf), vds-ev.de zu „Richtig Gendern“)

 


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache.

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Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte

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