Infobrief vom 20. Mai 2024: Über die Kriterien bei Literaturpreisen

1. Presseschau

Über die Kriterien bei Literaturpreisen

Die Autorinnen Ronya Othmann und Juliane Liebert berichten in der Zeit von der Abstimmung zum Internationalen Literaturpreis, der jährlich vom Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin vergeben wird. Beide waren in der Jury, die zunächst eine grobe Auswahl (Longlist), dann eine gekürzte Auswahl (Shortlist) und anschließend den Sieger prämieren sollte. Bei der Abstimmung sei es im Frühjahr 2023 allerdings zu Zwischenfällen gekommen, die sich beide nicht hätten vorstellen können.

Nachdem die Jury-Mitglieder ihre Punkte zur Shortlist vergeben hatten, waren Einzelne mit der Abstimmung nicht zufrieden. In der Auswahlliste: „Ein senegalesischer Autor, der auf Französisch schreibt und in Paris lebt, eine südkoreanische Autorin, die in den USA lebt, eine russische Autorin, die mittlerweile im Berliner Exil lebt, eine belarussische Autorin, eine mexikanische und eine französische.“ Somit wären ein Mann und fünf Frauen nominiert gewesen.

Eine Jurorin war mit dieser Liste nicht einverstanden, denn danach wären drei schwarze Frauen, die zuvor weniger Punkte bekommen hatten, ausgeschieden, während es „eine weiße Französin (Mariette Navarro)“ in die Shortlist geschafft hätte. Sie würde daher Navarro ihre Stimme entziehen und ihre Punkte einer der drei schwarzen Autorinnen geben; andere Jury-Mitglieder schlossen sich dem an.

Man liebäugelte mit Cherie Jones, „deren Buch vorher einige als ‚Gewaltporno‘ und ‚netflixstyle‘ abgelehnt hatten“. Einen weiteren, punktgleichen Autor gab es mit Péter Nádas, dessen Buch viele vorher als Meisterwerk bezeichnet hatten. Die Diskussion entspann sich aber um das vermeintliche Problem, dass Nádas „nun mal ein vom Feuilleton geliebter, privilegierter weißer Autor“ sei.

Othmann führte an, dass Nádas aus einer jüdischen Familie stamme, obendrein noch einige Jahrzehnte real existierenden Sozialismus hinter sich habe und auch jetzt in Viktor Orbáns Ungarn nichts zu lachen habe. Es sei ihr unangenehm, dieses ins Feld zu führen, weil es mit dem Werk an sich nichts zu tun habe, sah sich angesichts der Diskussion jedoch dazu gezwungen. „Nádas ist der bessere Autor, aber politisch muss man halt Cherie Jones wählen,“ hieß es am Ende. Nach einem weiteren verbalen Schlagabtausch sagte ein anderer Juror zu Liebert: „Sorry, ich liebe Literatur, aber Politik ist wichtiger.“

Die Mitarbeiter des HKW, die der Sitzung beiwohnten, griffen nicht ein, obwohl die Kriterien des Preises („Die Einreichungen werden nicht nach dem Ansehen von Autor*in / Übersetzer*in beurteilt, sondern nach der Qualität des Buches. (…) Die Einreichungen werden ohne Bevorzugung oder Vorurteile in Bezug auf Verleger*in, Herausgeber*in, Autor*in, Übersetzer*in, Nationalität, ethnische Zugehörigkeit sowie politische und religiöse Ansichten bewertet.“) nicht eingehalten wurden.

Einige Wochen später fand die finale Jury-Sitzung statt, da wurde Mohamed Mbougar Sarr mit „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ ausgezeichnet. Doch auch diese Wahl wurde hitzig diskutiert, denn nun bemängelten einige Jury-Mitglieder die Hautfarbe der beiden Übersetzer: „Denn weiße Menschen könnten generell keine schwarzen Autoren übersetzen.“ Zwar habe der schwarze Autor das N-Wort selbst verwendet, um die Diskriminierung seiner Figur zu zeigen, die weißen Übersetzer dürften es aber nicht reproduzieren. Eben dieses habe einer bei einer Lesung angeblich getan.

Wie Liebert berichtet, wurde sie angefahren: „Du als weiße Frau hast hier eh nichts zu sagen!“ Für die Jury zum diesjährigen Preis wurden Othmann und Liebert dann nicht wieder aufgestellt, viele andere der 2023er-Jury hingegen schon – das habe einen Beigeschmack hinterlassen.

Die Vorgänge 2023 seien typisch für die aktuelle Tendenz in deutschen Kulturbetrieben, sagen Othmann und Liebert: „Es wird ja ohnehin oft gemunkelt, wenn ein queerer, migrantischer oder sonst wie marginalisierter Autor gewinnt, dass es an seiner Identität und nicht am Werk lag – selbst wenn in der Jury nach literarischen Kriterien prämiert wurde. Eine Praxis, so wie wir sie in der HKW-Jury erlebt haben, schadet am Ende auch diesen Autorinnen und Autoren. Wir waren angetreten, um zu lesen und die literarische Qualität von Kunstwerken zu beurteilen. Wir mussten dann erleben, wie stattdessen im entscheidenden Moment diskutiert wurde: Es ging um Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, um Politik und nicht um Literatur. Wieso haben wir denn all die isländischen, spanischen und rumänischen Autoren gelesen, wenn sie am Ende ohnehin nicht infrage kommen?“ (zeit.de (Bezahlschranke))


Körpersprache mal anders

Der menschliche Körper ist überall auf der Welt gleich gebaut, jedoch werden die Körperregionen und -teile je nach Sprache verschieden bezeichnet. Sprachwissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der Universität Passau haben den Wortschatz zu Körperteilen aus 1.028 Sprachen miteinander verglichen. Hierfür wurde mit der Computerlinguistik ein Algorithmus entwickelt, um zu untersuchen, wie die Menschen ihren Wortschatz in ihren Sprachen bilden. Für die Studie wurde die Datenbank „Lexibank“ benutzt, eine große Sammlung an Wortlisten für alle Sprachen der Welt. Annika Tjuka vom Max-Planck-Institut Leipzig zeigte an einem Beispiel, wie es im Englischen ein Wort für Arm und ein weiteres Wort für die Hand gebe, wie im Deutschen, aber in Wolof, einer westafrikanischen Sprache im Senegal, werde ein einziges Wort für beide Körperteil verwendet.

Die Studie der Wissenschaftler zeige, in Sprachen wie Wolof liegt der Fokus auf den Funktionen der Körperteile. Die Sprecher wissen, wenn sie einen Ball werfen, dass sie es entweder mit der Hand oder dem gesamten Arm tun, dementsprechend gebe es nur ein Wort für die zwei Körperteile mit der gleichen Funktion. Englisch und Deutsch hingegen konzentrieren sich auf visuelle Hinweise, wie das Handgelenk, um Teile voneinander zu unterscheiden. Tjuka betont, dass noch mehr Daten aus den verschiedenen Sprachen gesammelt werden müssen, um die Faktoren zu verstehen, welche die sprachliche Vielfalt prägen. (mpg.de)


Authentizität statt Höflichkeit

Fußballprofi Marco Reus verwendete es kürzlich nach dem Sieg gegen Paris St. Germain, die Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sprach es vor laufenden Kameras aus: Es geht um das „S-Wort“, so bezeichnet die „Scheiße“, wer dieses Wort lieber nicht ausspricht. Die Rheinische Post sinniert aus diesem Anlass über die Zeiten „als Fäkalsprache verpönt war – in der Familie, erst recht in der Öffentlichkeit und ganz sicher im TV“. Man kommt zu dem Schluss, dass im Deutschen gegenüber Fäkalsprache „eine Gewöhnung eingetreten“ sei. In anderen Ländern sei die Sensibilität für unflätige Begriffe höher. So würden in den USA vulgäre Ausdrücke mit einem Piepton überdeckt. Offenbar würden die Werte verschoben, statt Anstand oder Höflichkeit zähle heute eher Authentizität. (rp-online.de)


Anzügliche Bläser

Weil Wörter wie „Blechbläser“ oder „Blasmusik“ angeblich unsittliche Assoziationen auslösen, hat die Stadt Weil am Rhein das Bläserfestival umbenannt. Es heißt jetzt: „3-Länder-Stadt Festival“. Das Wort Bläser sei laut städtischem Kulturamt „sexuell konnotiert“. Das sei zumindest ein Argument für die Umbenennung, schreibt Johannes Bruggaier im Südkurier. Vielleicht solle man in der Stadt demnächst einfach alles mit „3-Länder-Stadt“-Präfix versehen, damit niemand auf dumme Ideen kommt, so Bruggaier: „Blasmusikvereine sollten deshalb lieber frühzeitig auf Pusten, Hauchen oder einfach Atmen umstellen. ‚Die Blechatmer vom Rhein‘: Da regt sich sexuell ganz bestimmt nichts mehr.“ (suedkurier.de)


2. Gendersprache

Antidiskriminierungsstelle ist gegen Gender-Verbot

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) warnt vor einem staatlichen Verbot von vermeintlich geschlechtergerechter Sprache. „Menschen zu verbieten, inklusive Sprache zu verwenden, ist ein Rückschritt ins letzte Jahrhundert. Der Staat sollte Respekt und Toleranz fördern, nicht verbieten“, gab Ferda Ataman, Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung in einer Mitteilung bekannt. Einen Genderzwang, wie ihn Gegner des Genderns ins Feld führen, gebe es nicht, das sei eine Scheindebatte, wird sie in der Welt zitiert. Ein Kurzgutachten der Juristen der ADS habe ergeben, dass Genderverbote, wie es sie in einigen Bundesländern gebe, verfassungsrechtlich problematisch seien, da sie einen Kulturkampf auf dem Rücken von Minderheiten austrügen.

Ingo Wey widerspricht im Cicero dieser Argumentation. Die Rechtschreibregeln zu beachten sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Einschätzung der ADS-Juristen sei ein Gefälligkeitsgutachten, die Hausjuristen selbst blieben anonym. Gendern sei ein Kulturkampf „gegen jede Sprachlogik und -ökonomie und gegen den Wunsch der überwiegenden Mehrheit aller Sprecher: Niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, gendert im privaten Gespräch.“ Eine woke und aktivistische Minderheit wolle der Mehrheit einen veränderten Sprachgebrauch aufzwingen. Genderverbote seien deshalb wichtig, um die Mehrheit vor so einem Zwang zu schützen. (cicero.de (Bezahlschranke), welt.de)


Offener Brief an den Hessischen Rundfunk

Das Netzwerk Sprachkritik hat einen Offenen Brief an den Intendanten des Hessischen Rundfunks geschrieben und damit auf eine Mitteilung der Sendung „Hessenschau“ reagiert, worin das Team der Sendung darauf pochte, das generische Maskulinum gehöre der Vergangenheit an, weil es „nicht mehr als selbstverständliche Bezeichnung für alle Menschen wahrgenommen“ werde. Für das Netzwerk Sprachkritik ist unklar, wie die Verantwortlichen der „Hessenschau“ zu dieser Einschätzung gelangen, denn sämtliche Umfragen zur Akzeptanz der Gendersprache widersprächen dem Hessenschau-Team. „Eine große Mehrheit in unserer Sprachgemeinschaft versteht und schätzt das generische Maskulinum als genderneutrale Sprachform.“ (linguistik-vs-gendern.de)


Kippt der Rechtschreibrat?

Ronen Steinke befürchtet in der Süddeutschen Zeitung, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung in mehr oder minder naher Zukunft zu kippen droht, was das Gendern betrifft. Aktuell seien viele der Mitglieder älter und konservativ, doch mit den neuen Berufungen in den Rat kämen jüngere Stimmen, die dem Gendern gegenüber positiv gewogen seien. Monika Dannerer, Sprachwissenschaftlerin von der Universität Innsbruck, sei im Gegensatz zu vielen anderen Mitgliedern noch lange nicht emeritiert. Ihr jüngster Aufsatz trage den Titel: „Die Professionalisierung von Lehrer*innen der Primar- und Sekundarstufe im Umgang mit sprachlicher Diversität in Österreich.“

Für den Deutschen Journalistenverband (DJV) wurde Jonathan Janoschka neu in den Rechtschreibrat berufen. Der DJV hat sich in Hessen gegen das geplante Gender-Verbot im ÖRR ausgesprochen, Janoschka selbst sitzt nicht nur im DJV-Vorstand, sondern auch im „Fachausschuss Chancengleichheit und Diversity“. Für die Nachrichtenagenturen hat Froben Homburger (dpa) den Platz übernommen, den zuvor die Katholische Nachrichtenagentur innehielt. Die dpa hatte erst kürzlich eine Umfrage unter ihren Kunden gestartet: „Wie möchtet ihr’s gern haben? Sollen wir gendern, sollen wir lieber nicht?“

Steinke spekuliert, was das für die Haltung des Rats bedeute. Einiges spreche dafür, dass die Front der Ablehnung gegen die Sternchen und anderen Sonderzeichen zumindest ihre Dominanz etwas einbüßen werde. Das bedeute auch, dass die Bundesländer, die ihre Ablehnung der Gendersprache auf den Rechtschreibrat stützen, in Erklärungsnot gelangen könnten. (sueddeutsche.de (Bezahlschranke))


Volksinitiative gegen Gendern in Niedersachsen

Die Volksinitiative „Stoppt Gendern in Niedersachsen“ hatte diese Woche zu einer Infoveranstaltung nach Oldenburg geladen. Im NDR sagte Mit-Organisator Dr. Achim Sohns, Gendern sei eine „artifizielle, moralisch übersteigerte Kunstsprache“. Es sei geboten, dass die Landesregierung und die Schulen sich von ihr trennten. Bis Anfang März 2025 werden 70.000 Unterschriften benötigt, damit sich der Landtag mit der Volksinitiative befassen muss. Vor dem Versammlungsort kam es zu einer kleinen Demonstration. Teilnehmer argumentierten, dass Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen, ein Recht auf sprachliche Sichtbarmachung hätten. (ndr.de, ndr.de, stoppt-gendern-in-niedersachsen.de)


FDP Emden will Gendern abschaffen

Die FDP Emden will den Gebrauch der Gender-Sonderzeichen in der Verwaltung abschaffen. Sie hat einen entsprechenden Antrag an den Stadtrat gestellt, der zum nächsten Mal Mitte Juni zusammenkommt. Auch beim Sprechen soll Gendern nicht mehr zwingend erforderlich sein. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung lehne es ab, heißt es in dem Antrag. Gegen den Bürgerwillen trotzdem zu gendern, würde nicht zu mehr Gender-Akzeptanz führen: „Im Gegenteil, die Ablehnung ist im Vergleich zu früheren Umfragen gestiegen“, so FDP-Fraktionschef Erich Bolinius in seiner Antragsbegründung. Gegendert wird im Emdener Rathaus seit dem Einzug von Tim Kruithoff (parteilos) als Oberbürgermeister der Stadt. Dieser habe seine Mitarbeiter angewiesen, Gendersprache zu benutzen, und er achte selbst penibel in seinen Reden auf vermeintlich geschlechtergerechte Sprache, so die NWZ. (nwzonline.de)


3. Sprachspiele: Unser Deutsch

Spargel

Weiß, grün oder lila, dick, dünn, ganz dick – über Vergleiche kann man lächeln. Die Vielfalt des Spargels ist begrenzt: eine essbare Stange. Zwei Monate boomt das Stechen, Waschen, Sortieren, Verkaufen. Es heißt, die Deutschen seien Weltmeister im Spargelverzehr. Das ist Grund genug zu fragen: Was wissen wir außer Rezepten sonst von diesem edlen Gemüse?

Beginnen wir beim Wort: Spargel klingt so deutsch wie Büschel, Eichel, Kerbel, Kümmel, ist aber doch ein Lehnwort, das die Endung -el erst nachträglich angenommen hat. Erste deutsche Belege sind spargen oder sparger aus dem 15. Jahrhundert. Diese Formen haben sich bis heute im Dialekt der Wetterau bewahrt. Das deutet auf eine lange Anbautradition hin. Erst im 16. Jahrhundert hat sich die heutige Form mit dem eindeutschenden –el eingebürgert. Das Wort geht auf die spätlateinische Form sparagus zurück, eine Verkürzung des klassisch-lateinischen asparagus. Das wiederum ist griechisch aspháragos ‚junger Trieb‘ entlehnt. Die Griechen haben die Spargelkultur offenbar schon früh auf die italienische Halbinsel gebracht. Schon Marcus Portius Cato (234-149) hat ausführliche Anweisungen zum Anbau gegeben. Chinesen und Ägypter kannten den Spargel aber bereits vor 5000 Jahren. Nofretete nannte ihn eine Götterspeise. Auf Zypern wird in den Bergen bis heute wilder grüner Spargel gesammelt und als kleine Kostbarkeit in manchen Mezes angeboten. In Deutschland ist systematischer Anbau zuerst 1565 aus dem Stuttgarter Lustgarten bezeugt, ein Adelsprivileg.

Der Anbau in vielen Gärten begann erst im 19. Jahrhundert. So wird aus meiner Familie berichtet, dass mein Urgroßvater, Schornsteinfegermeister in Boxberg/Oberlausitz, als erster ein Spargelbeet in seinem Dorf angelegt hat. Das hat seine älteste Tochter, meine geliebte Großtante, bis in die 6oer Jahre gepflegt. Als kleiner Junge durfte ich sie beim Stechen begleiten. In Krieg- und Nachkriegszeit versandte sie Spargelpakete an die ganze Familie. Heute sind die Felder verweist. Ganz anders in Franken, meiner neuen Heimat. Im Nürnberger Knoblauchsland wird der Anbau jedes Jahr vergrößert und mit Folien und zuweilen sogar mit Bodenheizung intensiviert. Trotz früher Importe aus Peru und Griechenland boomen der Verkauf und die Freude an diesem besonderen Gemüse. Eine Gruppe von Spargelbauern hat sich zur Vermarktung zusammengetan und bietet die eigene frisch gestochene Ware in einigen Buden unter der Marke Morgentau an. Was für ein treffender Name! Leidenschaftliche Spargelesser ziehen den unsortierten Suppenspargel für den halben Preis vor. Spargelschälwettbewerbe begleiten die kurze Saison. Für Ungeschickte gibt es schon ‚geputzten‘ zu kaufen, eine Verschwendung, finde ich. Denn aus den Schalen lässt sich beste Spargelsuppe bereiten. Letztlich haben uns die Römer viel gebracht. Sie lernten es von den Griechen. Und diese (wahrscheinlich) von den Ägyptern. Die Geschichte der Kulturpflanzen ist Globalisierung seit Jahrtausenden.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an:horst.munske@fau.de.


4. Kultur

Jung trifft auf Alt

Die Schüler des Kurt-Huber-Gymnasiums im bayerischen Gräfeling konnten ihre sprachlichen Fähigkeiten auf besondere Weise zum Einsatz bringen. Im Februar begann ein Sprachkurs in Kooperation mit dem Evangelischen Pflegezentrum Planegg, bei dem die Schüler den Senioren Spanisch beibringen. In der vergangenen Woche endete der Kurs erfolgreich und wurde mit spanischen Spezialitäten gefeiert. Die Plätze im sogenannten „P-Seminar“ waren begehrt, denn die Senioren erhofften sich eine neue Herausforderung und die Möglichkeit, bestehende Sprachkenntnisse aufzufrischen.

Auch die Schüler konnten durch die gemeinsamen Stunden etwas über mögliche Berufe, etwa in der Pflege, erfahren. Julian Rasthofer, Spanischlehrer am Kurt-Huber-Gymnasium, betont, wie man in erster Linie den Kontakt zwischen Jung und Alt aufbauen wolle. Die Sprache sei dabei das übergeordnete Thema, oder sie sei als Anknüpfungspunkt zu sehen. Durch das eigene Lehren lerne man auch am meisten. Das Motiv der Schüler für das Lehren sei auch für den Pflegeberuf von Vorteil. Auch die Mitarbeiter des Pflegezentrums in Planegg freuen sich über den Sprachkurs. Die Bewohner haben nicht nur viel über die Sprache gelernt, der Kontakt zu den jungen Menschen habe ihnen gut getan, sagt die Leiterin Astrid Ühlein. (merkur.de)


Mannheimer Sprachpreis wird verliehen

Seit 2011 wird ein Preis zur Förderung des Erwerbs der deutschen Sprache in Mannheim verliehen. In diesem Jahr wird der internationale Preis der Stadt Mannheim zum sechsten Mal vergeben. Bis zum 30. Juni können Teilnehmer zwischen 18 und 28 Jahren, die Deutsch lernen und im Ausland leben, an dem Wettbewerb teilnehmen. Unter dem Motto „Generation Zukunftsangst?“ müssen die Teilnehmer einen Text mit bis zu 10.000 Zeichen verfassen. Laut Veranstalter soll der Preis mit dem Namen „Mannheim – Hauptstadt der deutschen Sprache“ zeigen, wie reizvoll und lebenswert die Stadt sei.

Die Aktion steht unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Christian Sprecht. Der Gewinner erhält eine zweiwöchige Reise nach Mannheim mit Aufenthalt in einer der Jury-Institutionen. Dazu zählen unter anderem das Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache und das Kulturamt Mannheim. Laut Veranstalter sei das Interesse an dem Preis in den vergangenen Jahren sehr gestiegen. Während bei den ersten Ausschreibungen meist unterhaltsame Reiseberichte eingereicht wurden, stand der letzte Wettbewerb besonders unter dem Einfluss der Corona-Pandemie.

Die Aktion „Mannheim – Hauptstadt der deutschen Sprache“ wurde 2007 von Uwe Martin von der Werbeagentur „MLW KommunikationsForm“ mit der Stadt Mannheim und weiteren Institutionen vorgestellt. (mannheimer-morgen.de)


Einzigartig Fränkisch

Innerhalb Bayerns Landesgrenzen gibt es viele verschiedene Dialekte. Das kann offenbar zu Sprachbarrieren führen. Insbesondere im Fränkischen gibt es Begriffe, die für den Rest der Bayern schwer zu verstehen sind. Merkur.de stellt hierfür eine Wörterliste zusammen. Ein „Grischberla“ sei beispielsweise eine schmächtige Person, im Standarddeutschen umgangssprachlich auch als „Lauch“ bekannt. „Greinschmeicherla“ ist im Fränkischen ein Ausdruck für ein weinerliches Kind oder jemanden, der nah am Wasser gebaut ist, denn „greinen“ bedeutet weinen. Um jemanden als „Lügner“ zu bezeichnen, gibt es im Fränkischen viele Möglichkeiten. „Lüchebäöüudl“, „Läichäbeitl“, „Lignbeitl“ oder „Luchabaidel“ sind einige davon. Die Kreativität der Franken lässt sich auch bei der Namensgebung von Tieren finden, denn das Kalb ist ein „Moggala“ und ein Eichhörnchen das „Achala“. Fränkisch zeichnet sich vor allem durch seine weichen Konsonanten und einzigartigen Wörter aus. Sie sind besondere Schöpfungen, die für Menschen ohne Fränkischkenntnis schwer zu verstehen sind. (merkur.de)


5. Berichte

Zweisprachiges Elsass

Auf Einladung des Historischen Geschichtsvereins Kehl hielt Richard Weiss, Buchautor und Leiter der VDS-Region für das Elsass, einen Vortrag über die Zweisprachigkeit im Elsass. Weiss gab einen Überblick über die jüngere Geschichte der deutschsprachigen Elsässer, die lange Zeit von sprachlicher Diskriminierung durch die französische Regierung betroffen waren und deren Freiheit zur Nutzung des Elsässischen bis heute nur mühsam wieder herzustellen ist. Weiss kennt sich mit dieser Geschichte bestens aus, denn er war (mit Tomi Ungerer) Gründungsvorsitzender der Elternvereinigung „A.B.C.M. Zweisprachigkeit“ und gründete die ersten zweisprachigen Immersionsschulen im Elsass. Seit Juli 2023 ist er Vorsitzender der René-Schickele-Gesellschaft/Culture et Bilinguisme. 2022 erschien sein Buch „Quand je serai grand, je serai bilingue!“ (Verlag Yoran) und 2023 dessen deutsche Übersetzung „Wenn ich einmal groß bin, werde ich zweisprachig sein!“ (IfB-Verlag). (youtube.com/V&B Production)


Philosophie bei Brecht

Um das Thema „Liebe im Werk von Bertolt Brecht“ geht es in der Reihe „Literatur und Musik und Philosophie“ im Theater in der List in Hannover. Im Mittelpunkt stehen Gedichte und Texte von Brecht, besonders die Kurzgeschichte „Wenn Herr K. einen Menschen liebte“. Es wirken mit: Wolf-Rüdiger Leister (Schlagwerk), Margarete Paulmann-Nisters (Flöte, Gesang), Harrie Müller-Rothgenger (Lesung). Den philosophische Teil trägt der Leiter der VDS-Region Hannover Achim Sohns bei. Aufführung: Sonntag, 2. Juni (Einlass 15 Uhr, Eintritt: 12 €, Ermäßigung 9 €). (theaterinderlist.jimdo.com)


Sprachpanscher 2024

Die Mitglieder des VDS sind wieder aufgerufen, den Sprachpanscher 2024 zu wählen. Nominiert sind Personen oder Institutionen, die im vergangenen Jahr besonders schlampig mit der deutschen Sprache umgegangen sind: Prof. Ursula M. Staudinger, die Rektorin der TU Dresden, lud im April im Anschluss an den „E-Teaching-Day“ zu einer „Fuck-Up-Night“ ein. Die Leipziger Buchmesse lockte mit dem Mottow „Who’s still reading?“ und genderte sogar Fremdwörter wie „Cosplayer:innen“. Die Kunsthalle Hamburg besticht durch Gendersprache auf ihrer Internetseite und verdirbt Besuchern so die Freude an Kunst. Die staatlich geförderte Organisation „HateAid“ will gegen Diskriminierung und Hass kämpfen, schließt durch überladene Gendersprache aber die Mehrheit aus („Werde HateAidSupporter*in“). Der Tierschutzverein PETA geht so weit, althergebrachte Sprichwörter zu verändern, um das Tierwohl zu verbessern: Statt „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“ solle man lieber „zwei Erbsen auf eine Gabel laden“.

„Egal ob Denglisch oder Gendersprache – die Kandidaten-Auswahl zeigt auch in diesem Jahr, dass viele Verantwortliche unsere Sprachgemeinschaft aus den Augen verlieren“, sagt der VDS-Vorsitzende Prof. Walter Krämer. Abstimmen können alle 37.000 Mitglieder des VDS – entweder über die VDS-Internetseite oder per Wahlzettel mit der Post – bis zum 9. August 2024. (vds-ev.de)


6. Soziale Medien

Boomer-Wort gesucht

„Ich hab so keinen Bock mehr aufs Jugendwort des Jahres!“ Mit diesen Worten leitet der TikTok’er Levi Penell sein Video ein, in dem er sich über die Suche ärgert. Es sei jedes Jahr das Gleiche: Immer seien cringe und digga nominiert, dazu 8 weitere Wörter, die noch nie jemand gehört habe, dazu würden diese Wörter von Leuten nominiert, die aus der Jugendsprache längst herausgewachsen seien. Deswegen habe er jetzt das genaue Gegenteil vor: Er ruft auf zur Wahl des Boomer-Worts. Mit dem Begriff Boomer werden die geburtenstarken Jahrgänge von 1946-1964 bezeichnet, gleichzeitig ist es eine Art Schimpfwort für meist ältere Menschen, die konservativ und wenig veränderbar seien. Penell, der für seinen noch sehr jungen TikTok-Kanal gerade erst mit dem Preis zum besten Newcomer auf den „9:16-Awards“ ausgezeichnet worden ist, will damit alte Wörter, die viel zu wenig genutzt werden, wieder in den Sprachgebrauch integriert sehen. Das Video erreichte rund 290.000 Likes und wurde rund 15.000 Mal geteilt. Die jetzt nominierten Wörter sind u. a. „knorke“, „Sapperlot“, „Firlefanz“, „harsch“ und „Sportsfreund“. (tiktok.com/levihallo, tiktok.com/levihallo, boersenblatt.net, spiegel.de)


Sternchen im Senckenberg-Museum

Das Senckenberg-Museum in Frankfurt am Main sticht durch falsche Rechtschreibung hervor. An mehreren Bebilderungstafeln wird mit Gendersternchen gearbeitet, womit vor allem Kinder, die Schriftsprache gerade erst lernen und hier etwas über Natur und Dinosaurier lernen möchten, in die Irre geführt werden. Da die Tafeln gleichzeitig auf Deutsch und Englisch beschriftet sind, wird der Unsinn der Gendersprache erst recht sichtbar. Denn wo im Deutschen von „Tiefseeforscher*innen“ die Rede ist, steht auf Englisch „Deep sea researchers“. Da wird unmissverständlich, wie unerheblich das Geschlecht derer ist, die die Meere erkunden.

Das Senckenberg-Museum antwortet auf den Facebook-Beitrag: „Die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache ist wichtig, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Schließlich drückt Sprache immer auch Norm- und Wertvorstellungen aus, prägt unsere Wahrnehmung und schafft – in letzter Konsequenz – Realitäten. Ein sensibler und bewusster Sprachgebrauch kann demnach auch zur Verbesserung der Chancengleichheit beitragen. Vor diesem Hintergrund hat unser Direktorium Anfang 2020 die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache für unsere interne und externe Kommunikation beschlossen.“

Offenbar legt das Direktorium wenig Wert auf Chancengleichheit für die rund vier Millionen Legastheniker, sowie viele Autisten und nahezu alle Migranten im Lande. (facebook.com/vds)


Gendern an der Uni

Bei X (ehemals Twitter) berichtet @maxi_305 von einem Erlebnis an der Uni: „Eine Freundin von mir ist fassungslos über die Bewertung ihrer ersten Hausarbeit. Trotz Bemühens die Hausarbeit möglichst gendersensibel zu schreiben, war es für die Professorin scheinbar nicht ausreichend.“ Dazu postet er einen Ausschnitt der Benotung. In einem Tweet, der nötig war, weil andere Nutzer den Wahrheitsgehalt angezweifelt hatten, konkretisiert er die Vorwürfe und stellt klar: Gendern würde von den Professoren verlangt. Wer sich weigert, muss mit Punktabzug rechnen. (x.com/vds, x.com/maxi_305)


7. Kommentar

Zu weiß, zu männlich, zu irgendwas

Es ist nur noch peinlich. Da beschreiben zwei Autorinnen in der Zeit, wie mühsam es war, einen Gewinner bei einem Literaturpreis zu küren. Und das nicht etwa, weil die eingereichten Bücher so schlecht oder gut waren, dass man sich nicht entscheiden konnte. Nein, die Entscheidung wurde diskutiert, weil der Hintergrund der Autoren zum vermeintlichen Stimmungsbild der Gesellschaft passen musste. Zu viele Weiße? Geht nicht, was ist mit den schwarzen Autoren oder jenen, die aus anderen farblich abgesetzten Teilen der Welt kommen? Zu viele Männer? Geht auch nicht, denn auch Frauen sind ja schließlich in der Lage, (Bücher) zu schreiben. Zu Französisch oder Spanisch? Fast; ist ja immerhin fremdländisch, aber nicht exotisch genug. Das Werk selbst wird in den Hintergrund gerückt, weil es wichtiger ist, sich politisch korrekt zu positionieren.

Mit dem schließlich ernannten Sieger war man insgesamt zufrieden, ist das Werk doch wirklich authentisch und würdig, da es ein Leben repräsentiert, das bisher noch nicht gehört wurde. Doch der Weg dahin ist einer Jury unwürdig. Wenn ein Preis schon bestimmte Kriterien voraussetzt, dann ist es Aufgabe der Juroren, die eingereichten Werke anhand genau dieser Kriterien zu begutachten und durchaus darüber zu streiten. Die Herkunft, Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung dürfen durchaus im Werk wichtig sein, sie sollten aber nicht Grund für oder gegen eine Preisverleihung sein. Kunst ist Gefühl, sie ist Ausdrucksstärke, Eindringlichkeit. Wenn ein Autor es schafft, einen Leser in seinem Innersten zu berühren, ist das das Einzige, das zählen sollte. Politik hat bei der Entscheidungsfindung vor der Tür zu bleiben. Wer Werke aufgrund einer political correctness auszeichnet, nimmt ihnen die Würde, denn er reduziert sie auf eine politische Ebene, die nicht immer Bestandteil der Werke sein muss.

Juroren haben blind zu sein für persönliche moralische Einstellungen, allein dem Buch muss die Aufmerksamkeit dienen. Und wenn in einem Jahr nun mal keine Non-Binären mit Migrationshintergrund, dafür mit Rollstuhl, in die engere Auswahl gekommen sind, sondern ausschließlich Männer in einer Vorauswahl die meisten Punkte einfahren konnten, dann hat auch diese Liste ihre Berechtigung. Wer Menschen und ihre Werke auf das Geschlecht oder die Hautfarbe des Autors reduziert, hat Literatur nicht verstanden. (Doro Wilke)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

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