Infobrief 374 (32/2017): Duden Nr. 27

Freitag, 11. August 2017

1. Presseschau vom 4. bis 11. August 2017

  • Duden Nr. 27
  • Große Koalition für die deutsche Sprache
  • Seitenknistern, Tintenduft

2. Unser Deutsch

  • Neudeutsch

3. Berichte

  • Projekt „VDS Sprachsofa“

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Bücher aus der NS-Zeit

6. Denglisch

  • Robotersegen

1. Presseschau vom 4. bis 11. August 2017

Duden Nr. 27

Foto: VDS

Schwarz-gelber Einband, 145.000 Wörter, 1254 Seiten, 26 Euro – die 27. Auflage des Dudens ist fertig und stand am Mittwoch in den Buchhandlungen. Um diese Neuigkeit kam in der vergangenen Woche keine Zeitung und kein Rundfunksender herum. Die FAZ kann mit dem neuen Wort „Gender“ nichts anfangen. Matthias Heine hat für die Welt herausgefunden, dass das Wort „Volksverräter“ zwar als neuer Eintrag in der
Presseinformation des Verlags angekündigt worden war, in der Wörterliste dann allerdings gar nicht zu finden ist. Die Süddeutsche erinnert noch einmal daran, dass der Duden 2013 den Titel „Sprachpanscher des Jahres“ bekommen hat. Und VDS-Sprecher Holger Klatte erklärt im WDR nochmal warum: weil unter den 5.000 Neueinträgen so viele eher in ein englisches als in ein deutsches Wörterbuch gehören. Ein voreiliger Eintrag im Duden verhindere die Bildung einer deutschsprachigen Entsprechung, so Klatte. (welt.de, faz.net, sueddeutsche.de, wdr.de)

Große Koalition für die deutsche Sprache

Schon vor der Bundestagswahl hat sich nun eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten zusammengetan, um sich bei der Bundesregierung für die deutsche Sprache einzusetzen. Gunther Krichbaum (CDU), Axel Schäfer (SPD) und BundestagsvizepräsidentJohannes Singhammer (CSU) fordern in einem Brief an die Bundeskanzlerin vor allem die Stärkung der deutschen Sprache in den Einrichtungen der EU, aber auch mehr Einsatz für Deutsch als Wissenschaftssprache. Sie werden dabei recht konkret: „Forschungsergebnisse, die mit Bundesgeldern gefördert werden“, sollen immer auch in deutscher Sprache veröffentlicht und in Deutschland stattfindende Tagungen nur noch dann „mit deutschen Steuergeld finanziert oder unterstützt“ werden, wenn Deutsch zumindest eine der Konferenzsprachen ist.
Kanzleramtsminister Peter Altmaier erklärt in seiner Antwort, dass sich die Bundesregierung bereits seit Jahren „nachdrücklich gegenüber den Institutionen der Europäischen Union für eine angemessene Verwendung der deutschen Sprache“ einsetze. In der Wissenschaft bekenne sich die Regierung „wo es möglich ist, zum Erhalt des Deutschen als Wissenschaftssprache“. (deutschlandfunk.de, sueddeutsche.de)

Seitenknistern, Tintenduft

Obwohl ihnen schon in jungem Alter allerlei Geräte zur Nutzung der digitalen Medien zur Verfügung stehen, bevorzugen Kinder beim Lesen von Abenteuerromanen oder Sachbüchern das klassische Buch, außerdem gedruckte Kinderzeitschriften und Druckausgaben der Comics über ihre Lieblingshelden. Dies ist das Ergebnis der „Kinder-Medien-Studie 2017“.
So gaben 61 Prozent der befragten Kinder in der Altersgruppe neun bis 13 an, mehrmals in der Woche zum Buch zu greifen, 55 Prozent lesen Zeitschriften oder Comics. Für diese Medien geben sie nach Süßigkeiten den größten Anteil ihres Taschengelds aus. Die Eltern sehen es gern, wenn ihr Nachwuchs das Lesen dem Fernseher oder dem Besuch von Internetseiten vorzieht. Sie lassen ihren Sprösslingen auch vermehrt und früher die Entscheidungsfreiheit, welche Bücher sie lesen möchten, während der Internetkonsum stärker kontrolliert und reglementiert wird.
Insgesamt zeigt die Studie, dass auch die heutige Kindergeneration, die häufig als „digital natives“ (digitaler Ureinwohner) bezeichnet wird, eigentlich erst in diese digitale Welt hineinwächst, und den Konsum digitaler Medien erst mit zunehmendem Alter steigert. (tagesschau.de, presseportal.de, kinder-medien-studie.de)

2. Unser Deutsch

Neudeutsch

Das Kuriose an diesem Wort ist der Umstand, dass damit gerade Wörter gekennzeichnet werden, die nicht deutsch sind, nämlich zumeist neuere Anglizismen. Etwa so: „In der Krise besinnen sich viele Menschen auf die eigenen vier Wände – neudeutsch: Cocooning.“ Oder: „Das Sesam-öffne-Dich für die gehobenen Männerbastionen bei Volkswagen heißt auf gut neudeutsch Mentoring“. Das Neuwort wird zumeist erklärt. Dann hätte man es auch vermeiden können, wird der Anglizismen-Jäger sagen. Sicherlich. Aber es bleibt die Frage, warum so viele Leute, vor allem Politiker, diesen Diskurs des Nennens und Erklärens schätzen. Sie wollen damit sagen: ich bin ganz auf der Höhe des sprachlichen Zeitgeschmacks, auch wenn ich solche Wörter eigentlich gar nicht mag. Oft bezeichnen diese importieren Neuwörter auch neue Sachverhalte oder soziale Moden. Mit der edlen Benennung Cocooning erhält das Daheimbleiben auf einmal einen neuen Wert. Auch das Mentoring ist mehr als schlichte Betreuung. Wer die neuen Prägungen benutzt, ist auf der Höhe der Zeit, geht aber zugleich mit der Markierung ‚neudeutsch‘ etwas auf Distanz. Das hat schon vor Jahren der Verfasser des Wikipedia- Eintrags ‚Neudeutsch‘ beobachtet. Aber immerhin ist die Distanz nicht groß genug, die modischen Neologismen zu meiden.
Übrigens ist das Wort überhaupt nicht alt. Schon Kurt Tucholsky sprach in einem Artikel von 1926 vom „neudeutschen Stil“, und Dieter E. Zimmer hat 1986 einem ganzen Buch den Titel „Neudeutsch“ gegeben, in dem er „Trends und Tollheiten im neudeutschen Sprachgebrauch“ aufs Korn nimmt. Der Gestus des Nennens und Distanzierens, der heute so geschätzt wird, scheint allerdings eine jüngere semantische Variante im neudeutschen Sprachgebrauch. Sie zeugt doch immerhin von einer gewissen Sensibilität gegenüber dem Schwall von Neologismen, die uns bedrängen und unser Sprachverhalten okkupieren wollen.

Horst Haider Munske

3. Berichte

Projekt „VDS Sprachsofa“

Das Projekt „VDS Sprachsofa“ soll den nationalen und internationalen Austausch von VDS-Mitgliedern fördern und dadurch Freundschaften wachsen lassen. Grundlage für diesen Austausch bildet die deutsche Sprache. Wie wäre es, wenn diese Reise, zumindest was die Unterkunft angeht, auch noch kostenlos wäre? Die Idee hinter dem Projekt „VDS Sprachsofa“ ist es, dass VDS-Mitglieder andere VDS-Mitglieder im In- und Ausland besuchen und dort kostenlos übernachten können. Neben einer einfachen Verständigung ist die Erkundung neuer Städte und Menschen aus Sicht eines Ortskundigen die Aufgabe des Projekts. Diese Aktion lebt davon, dass sich möglichst viele VDS-Mitglieder als Gastgeber zur Verfügung stellen. Eine einfache Schlafmöglichkeit ist hierbei völlig ausreichend. So können alle Teilnehmer des Projekts „VDS Sprachsofa“ nahe oder ferne Gegenden bereisen und ohne Sprachhürden Kultur und den regionalen Charakter kennenlernen.
Zum ausführlich Beitrag auf kultürlich.de hier: kultürlich.de

4. VDS-Termine

14. August, Region 42 (Wuppertal, Remscheid)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Gaststätte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Straße 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg

15. August, Region 57 (Siegen)
Regionaltreffen, Thema: „Politik und Sprache“
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Landgasthof Merje, Kredenbacher Straße 18, 57223 Kreuztal-Kredenbach

5. Literatur

Bücher aus der NS-Zeit

Die Universität Göttingen hat eine 17.000 Bücher umfassende Privatsammlung erworben. Es handelt sich dabei um Kinder- und Jugendliteratur der Jahre 1925 bis 1945. Enthalten sind also neben Abenteuergeschichten, Schulbüchern und religiösen Erzählungen auch nationalsozialistische Propagandaschriften, die sich an das „Deutsche Jungvolk“ richteten. Die Universität besitzt somit den größten Bestand an Büchern aus dieser Zeit. Für Forschung und Lehre sind diese Bücher besonders unter dem Aspekt der Politisierung und Instrumentalisierung von Literatur interessant.
Auch beim Projekt „Erstcheck“ in Magdeburg geht es um Bücher der NS-Zeit, allerdings um solche, die entweder durch Enteignungen oder Zwangsversteigerungen aus jüdischem Besitz stammen und heute auf Büchertauschbörsen zu finden oder in den Beständen öffentlicher Bibliotheken gelandet sind. Die Forscher am „Deutschen Zentrum Kulturgutverluste“ versuchen, solche Bücher aufzuspüren und ihre ursprünglichen Besitzer ausfindig zu machen. Häufig zeigen sich die rechtmäßigen Erben großzügig und belassen die Originale in den Bibliotheken. (deutschlandfunkkultur.de, dw.com)

6. Denglisch

Robotersegen

Wer im 21. Jahrhundert das Reformationsjubiläum feiern will, steht vielfach vor der Aufgabe, Religionstraditionen und moderne Technik zu verbinden. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, in welcher Sprache dies geschieht: Denglisch. So präsentiert die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau noch bis zum 10. September ein Programm unter dem Motto „Segen erleben – Moments of Blessing“ auf der Weltausstellung der Reformation in Wittenberg. Besonderer Blickfang des Rundgangs ist die interaktive Installation „BlessU-2“. Diese muss man sich als eine Art Bankautomat vorstellen, der den Gästen in sieben möglichen Sprachen einen biblischen Segen aussprechen kann. Der Roboter steht im Ausstellungsbereich Globalisierung und soll die Auseinandersetzung der Kirche mit den Themen Digitalisierung und künstliche Intelligenz bewusst machen.

Noch bis zum 25. August wählen die VDS-Mitglieder übrigens den Sprachpanscher 2017. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, wer zu den Kandidaten gehört. Zum Wahlzettel geht es hier: pdf-Datei. (hessenschau.de)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche über die deutsche Sprache. Bestellbar unter: infobrief@vds-ev.de.

RECHTLICHE HINWEISE

Bitte antworten Sie nur dann auf diesen Infobrief, wenn Sie ihn abbestellen oder eine neue E-Post-Adresse angeben wollen. Zur Diskussion bietet sich das VDS-Internet-Forum an: http://rundbrief.vds-ev.de.

Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel

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