Infobrief 401 (7/2018): Sprachschutz im Karneval

1. Presseschau vom 9. bis 15. Februar 2018

  • Sprachschutz im Karneval
  • Neue Sprache entdeckt
  • Vergleichsarbeiten an Berliner Grundschulen
  • Lautschrift für DaZ-Lerner

2. Unser Deutsch

  • Libe Omi

3. VDS-Termine

4. Literatur

  • Der DUDEN verleugnet sich selbst
  • Buchberatung
  • Neuerscheinungen

5. Denglisch

  • Heute so, morgen ganz anders

 

1. Presseschau vom 9. bis 15. Februar 2018

Sprachschutz im Karneval


Bild: Wikimedia, Autor: SuperbassCC BY-SA 3.0

Die Kölner Karnevalisten enthüllten während ihres Rosenmontagsumzugs das Motto der Session 2018/19: „Uns Sproch es Heimat“. Das Festkomitee möchte so die Bedeutung der Sprache für Heimat und Identität in den Mittelpunkt stellen. Wichtig sei ihnen dabei, dass gerade durch die Offenheit und Direktheit der kölschen Sprache „auch Fremde schnell heimisch werden – und sei es nur für einige wunderbare Momente im Karneval“, so Zugleiter Alexander Dieper. Das Kölsche stifte Gemeinschaftsgefühl und lasse Sprecher und Zuhörer enger zusammenrücken. Außerdem sei das neue Motto ein wichtiges Zeichen für den Schutz des aussterbenden Dialektes, findet Hans-Georg-Bögner, Leiter der „Akademie för uns kölsche Sproch“ und schwärmt: „Kölsch ist eine unglaublich melodische Sprache. Ich kenne keinen anderen Dialekt, der Dinge so liebevoll umschreiben kann, der auf den Punkt kommt, ohne verletzend zu sein.“ Erst 2014 hatte die Kölner VDS-Regionalgruppe den damaligen Zugleiter Christoph Kuckelkorn für das damalige Motto „Social Jeck – kunterbunt vernetzt“ mit dem Schmähpreis „Sprachtünnes des Jahres“ bedacht. (rundschau-online.de, ksta.de)

 

Neue Sprache entdeckt

Als Forscher der Universität Lund die Sprache Jahai in der Provinz Sungai Rual in Malaysia studieren wollten, entdeckten sie dabei eine bisher unbekannte Sprache – von den Linguisten nun Jedek genannt. Die Entdeckung überraschte, denn die rund 280 Jedek-Sprecher leben keinesfalls isoliert am Fluss Pergau, sondern waren unter der Bezeichnung Orang Asli bereits Ethnologen und anderen Wissenschaftlern bekannt. Nun zeigte sich, dass Ähnlichkeiten zu asiatischen Sprachen in teils weit entfernten Regionen Malaysias bestehen, zum Jahai hingegen gibt es Unterschiede bei Wörtern, Lauten und grammatikalischen Strukturen. Eine Besonderheit der Sprache ist das Fehlen besitzanzeigender Verben wie leihen oder verkaufen. Stattdessen gebe es einen umfangreichen Wortschatz über Handlungen wie Austausch, Kooperation und Teilen, so die Forscher Joanne Yager und Niclas Burenhult. Hier könne ein Zusammenhang mit der sozial gleichberechtigten und friedfertigen Lebensweise der Orang Asli bestehen. (spektrum.de, derstandard.at)

 

Vergleichsarbeiten an Berliner Grundschulen

Nachdem auf Antrag des Neuköllner SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck bekannt wurde, dass die Berliner Grundschüler bei Vergleichsarbeiten in den Fächern Deutsch und Mathematik des Jahres 2017 zu großen Teilen weit unter den Mindestanforderungen lagen, wehren sich Lehrer gegen Schuldzuweisungen. Dass knapp die Hälfte der Schüler nur die unterste der fünf Kompetenzstufen erreichte, schieben einige Kommentatoren auf die Methode „Schreiben nach Gehör“. Pädagogen dagegen meinen, es müssten vielmehr Integration und Inklusion sowie der drastische Lehrermangel als Ursachen betrachtet werden. In den vergangenen Wochen häuften sich Berichte über den Lehrermangel an Grundschulen und Versuche, Lehrer weiterbildender Schulen oder Quereinsteiger ohne pädagogische Kenntnisse anzuwerben, um die offenen Stellen zu besetzen. (tagesspiegel.de, spiegel.de, tagesspiegel.de)

 

Lautschrift für DaZ-Lerner

Für arabischsprachige Flüchtlinge, die Deutsch als Zweitsprache (DaZ) lernen, entwickelte der evangelische Vikar Benjamin Graf eine Lautschrift aus arabischen Schriftzeichen. Mithilfe der Umschrift der lateinischen Buchstaben soll die Aussprache verbessert werden. „Sie können sogar kleine deutsche Sätze lesen, ohne einen Buchstaben Deutsch zu lernen“, wird das System auf der zugehörigen Internetseite beworben. Es gibt unterschiedliche Schwierigkeitsgrade von Lauten, die direkt wiedergegeben werden können, über solche, für die auf die Herkunftssprachen Kurdisch, Persisch oder Urdu zurückgegriffen wird bis zu denjenigen Lauten, die den Lernern völlig fremd sind und für die Graf neue Zeichen entwickelt hat. Diese Schwierigkeitsgrade ordnet der Erfinder den Kategorien grün, gelb und rot zu und nennt sein Projekt „El-Ischaara“, das ist das arabische Wort für Ampel. (migazin.de, elischara.de, domradio.de)

 

2. Unser Deutsch

Libe Omi

So könnte ein typischer Bedanke-mich-Brief beginnen, nachdem die Mama gemahnt hat „Du musst Dich bei der Omi bedanken“ – in Familien halt, wo noch eine gewisse Dankeskultur gepflegt wird. Vielleicht steht es auch auf einer Urlaubskarte (wenig Platz, zum Glück), für den Reisezuschuss.

Uns geht es aber um anderes, um die Rechtschreibung. Die Omi wird der Enkelin, respektive dem Enkel (aber meist sind es die Mädels, die noch schreiben) den Lapsus verzeihen. Wir aber fragen: Ist es denn überhaupt einer? Wie erklärt sich Libe Omi statt Liebe Omi? Meine These lautet: Eigentlich hat das Kind Recht, denn es folgt der Generalregel, nach der wir die langen Vokale in der Rechtschreibung zumeist gar nicht durch ein Längezeichen markieren, zum Beispiel in Wörtern wie haben, leben, Lüge, Bude, ledig und böse. Auch die Omi gehört dazu. Beim Erlernen der Rechtschreibung orientiert man sich an solchen Vorbildern. Das hat die junge Briefschreiberin getan.

Bleibt die Frage: Wie kam es dazu, dass langes i – gegen die allgemeine Regel – fast immer als ‚ie‘ geschrieben wird? (Kurioserweise haben nur ein paar Fremdwörter wie Maschine, Bibel, intensiv einfaches i.) Dazu müssen wir einen Blick in die Sprachgeschichte werfen. Und das Wort lieb ist dafür ein gutes Beispiel. Im Mittelhochdeutschen wurde es mit Diphthong, also i-e, gesprochen, daher auch die Schreibung ‚ie‘. Als dieser Diphthong sich zu langem i wandelte, blieb die Schreibung konstant und es entstand die Schreibregel: Lang i schreibt man ‚ie‘. Und diese neue Regel wurde auch auf andere Fälle von lang i angewandt, zum Beispiel als das kurze i in mhd. rise gedehnt wurde. Deshalb schreibt man bis heute Riese.

Beide Beispiele illustrieren ein auffälliges Phänomen: Die Schreibung ist viel konservativer als die Lautung einer Sprache. Das belegen auch andere Fälle der Langvokalschreibung: Das Dehnungs-h entstand aus geschwundenem h (z. B. in mhd. [tsɛhən] zu nhd. [tse:n]) und als Kurzvokale in offener Silbe gedehnt wurden (mhd. [lɔbən] zu nhd. [lo:bən]). Etwas verallgemeinert können wir sagen: Der große Umbau des mittelhochdeutschen Vokalsystems – vor allem durch Monophthongierung, Kürzung und Dehnung – ist die Ursache für die komplizierten Schreibregeln der Vokale im Deutschen.

Eigentlich, so können wir feststellen, macht unsere Briefschreiberin (unfreiwillig) nur, was vor ihr der Barockdichter Philipp von Zesen, die Brüder Grimm und die jüngsten Rechtschreibkommissionen vergeblich versucht haben: die deutsche Rechtschreibung an ihrer schwierigsten Stelle zu reformieren. Das sollten Lehrer wissen, wenn sie ihre roten Striche an den Heftrand malen.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. VDS-Termine

19. Februar, Deutsches Musikradio
„Wortspiel“ beim Deutschen Musikradio DMR mit Holger Klatte.
Schwerpunkt: Ministerium für Heimat
Sendungsseite: www.deutschesmusikradio.de/dmr/wortspiel/
Zeit: 20 bis 21 Uhr, Wiederholung: 23 Uhr

19. Februar, Region 42 (Wuppertal)
Stammtisch
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Gaststätte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Straße 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg

19. Februar, Region 50, 51 (Köln)
Sonderstammtisch
Themen: Weitere Gestaltung unserer Kölner VDS-Region und künftiger Verlauf des „Lehrer-Welsch-Sprachpreises“
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 10, 50670 Köln

21. Februar, Dänemark
Geschlossene Sitzung des Kulturforums Kopenhagen: Vorstellung des VDS.

26. bis 27. Februar, Akademie für politische Bildung Tutzing
„Die Sprache von Forschung und Lehre. Lenkung durch Konzepte der Ökonomie?“
Gemeinsame Tagung des Arbeitskreises Deutsch als Wissenschaftssprache e. V. (ADAWIS) und des Zentrums für Europäische Bildung in der Akademie für politische Bildung Tutzing.
Referenten u. a. Prof. Dr. Ralph Mocikat, Bundestagsvizepräsident a. D. Johannes Singhammer, Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, Prof. Dr. Harald Lesch.
apb-tutzing.de

 

4. Literatur

Der DUDEN verleugnet sich selbst

Wohin man sieht: überall breiten sich Fehler aus – Druckfehler, Zeichensetzungsfehler und Rechtschreibfehler. Wer sich einen Rest von Selbstkritikfähigkeit bewahrt hat, greift dann doch gelegentlich zum Duden. Der Wahrig wäre zwar die bessere Wahl, wenn es darum geht, den Regeln der Amtlichen Rechtschreibung zu folgen. Aber der Duden hat die stärkere Marktposition, und fast jeder Deutschsprechende kennt ihn, wenn auch meistens nur dem Namen nach.

Und der hat es in sich. Heißt es nun: Die neueste Auflage des Duden oder des Dudens? Schnell mal zum Duden gegriffen und: Der Duden ist im Duden nicht erwähnt, kommt einfach nicht vor!

Beide Genitivformen sind zulässig, bezeichnen aber etwas Verschiedenes: Wenn von Duden die Rede ist und sein Schöpfer, Konrad Duden, gemeint ist, wäre es richtig zu sagen: Die Leistung des (Konrad) Duden war einmalig… Ist aber das Buch, das Produkt, die Institution gemeint, ist das Genitiv-S die bessere Wahl: Die neue Linie des ‚Dudens‘ scheint es zu sein, Hunderttausende von Anglizismen zu deutschen Wörtern zu erklären. Hier ist das S nicht nur die bessere Wahl, sondern allein richtig – so wie: die Meinung des Lehrers oder der Preis des Wörterbuchs.

Wenn Konrad Duden, der Mensch, auf den Artikel verzichtet, darf er im Genitiv allerdings auch ein S beanspruchen, weil sonst der zweite Fall nicht erkennbar wäre:

„Die Großmutter des Konrad Duden“ wird dann zur „Großmutter Konrad Dudens“.

So einfach geht es zu in der deutschen Grammatik: simpel, banal geradezu – und sehr leicht verständlich, wenn man das mal mit dem Entstehungsmechanismus des Bitcoin(s) vergleicht.

Max Behland

 

Buchberatung

Manchmal dauert es ein wenig, bis man im Buchhandel oder in der Bibliothek die passende Lektüre gefunden hat. Für manche wohl zu lange, denn eine neue Geschäftsidee aus Italien feiert große Erfolge: die persönliche Buchberatung. Das Modell, entwickelt von der Lektorin Valentina Berengo und der Redakteurin Gioia Lovison, verspricht, mithilfe einer eigenen App den Geschmack der Leser genau einschätzen und so passende Romane vorschlagen zu können. Die über das Programm gestellten Fragen zielen dabei nicht auf Lesevorlieben ab, sondern vielmehr auf Lebensumstände und Charaktereigenschaften der Leser. Wer gerade eine Trennung durchlebt hat, bekomme als Lesevorschlag keinen komplizierten Beziehungsroman, sondern etwas Aufbauendes, so die Erfinderinnen aus Padua. Ziel sei es, die Italiener wieder zum regelmäßigen Lesen zu motivieren. Zur Weihnachtszeit hätten 10.000 Interessierte das kostenlose Angebot genutzt. (deutschlandfunkkultur.de)

 

Neuerscheinungen

Frank und frei. Die Franken und die französische Sprache: Eine quantitative Analyse

Die deutsche und die französische Sprache haben mehr gemeinsam als auf den ersten Blick erkennbar. Französisch enthält zahlreiche Importe aus dem Altfränkischen, die allerdings so verfremdet sind, dass die Verwandtschaft mit deutschen Wörtern kaum erkennbar ist. Solch eine Verwandtschaft erkennbar zu machen, ist das Ziel dieser Studie von Gernot Sander.

Gernot Sander: Frank und frei. Die Franken und die französische Sprache: Eine quantitative Analyse, IFB Verlag 2018, 348 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-942409-73-5.

 

 

Wir sprechen gerne Deutsch. 27 Stimmen aus 13 Ländern über ihr Verhältnis zur deutschen Sprache

Deutsch wird in der ganzen Welt gelernt, gelehrt und geliebt. In diesem Buch schreiben Menschen aus fünf Erdteilen darüber, aus Nord- und Südamerika, Afrika, Asien und Europa. Als Kind hat man vielleicht Deutsch oder den deutschen Akzent von lieben Menschen um sich gehört, die Sprache wird von Schülern und Eltern als Bildungs- und Berufschance gesehen, und die Leidenschaft für die Sprache führt dann auch in vielen Fällen zu einem geliebten Beruf. Andere sind von der Grammatik fasziniert, von der Dichtung, den Mundarten und der Philosophie. Weil Tausende von Menschen im Ausland einfach die Präzision und Ausdruckskraft der deutschen Sprache lieben, sind sie Botschafter der deutschen Sprache. Auf diesen Schatz, um den die Muttersprachler vielerorts beneidet werden, dürfen sie stolz sein!

Ulla Weinreich (Hrsg.): Wir sprechen gerne Deutsch. 27. Stimmen aus 13 Ländern über ihr Verhältnis zur deutschen Sprache, IFB Verlag 2018, 144 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-942409-70-4.

 

5. Denglisch

Heute so, morgen ganz anders

Die nach eigener Aussage um die deutsche Sprache bemühte Alternative für Deutschland will einen „Newsroom“ etablieren, eine Einrichtung, die wohl einem gängigen Nachrichtenportal entsprechen dürfte. „Solange die AfD von vielen Medien ignoriert oder mit Fake News gezielt schlechtgemacht wird, kann es nur diesen Weg geben‟, begründete Fraktionschefin Alice Weidel den neuen Nachrichtenkanal der Partei. Ab April soll eine entsprechende Pressestelle rund um die Uhr in ihrem „Room‟ nicht nur über die neusten „News“ berichten, sondern diesen auch als „War Room“ nutzen, in dem „Inhalte ungefiltert an den Mann“ gebracht werden, so der Bundespressesprecher Christian Lüth. Im Wahlkampf hatte die AfD noch erklärt, die deutsche Sprache vor den Einflüssen des Englischen gesetzlich schützen zu wollen. (deutschlandfunkkultur.de, tagesspiegel.de, sueddeutsche.de, afd.de/wahlprogramm)

 


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache.

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