Infobrief 433 (39/2018): Europäischer Tag der Sprachen

1. Presseschau vom 21. bis 27. September 2018

  • Europäischer Tag der Sprachen
  • Medien: 40 Jahre taz
  • Leichte Sprache

2. Unser Deutsch

  • Bombay oder Mumbai?

3. VDS-Termine

4. Literatur

  • Gegen das Verlagssterben

5. Denglisch

  • Jetzt auch die Franzosen

 

1. Presseschau vom 21. bis 27. September 2018

Europäischer Tag der Sprachen

Bild: pixabay.com | Nutzer skeeze | CC0-Lizenz

Seit 2001 feiert Europa jedes Jahr am 26. September den Tag der Mehrsprachigkeit. Dieser Tag geht auf eine Initiative des Europarates zurück, der damit zur Wertschätzung aller Sprachen und Kulturen aufrufen will. 2018 wird der Tag in 45 Ländern für Aktionen genutzt. Die Koordination übernimmt das europäische Fremdsprachenzentrum des Europarates in Kooperation mit Partnerorganisationen in den einzelnen Ländern. Unter den zahlreichen Veranstaltungen seien an dieser Stelle zwei hervorgehoben, die sich mit der Plattdeutschen Sprache befassen. Das Portal nord24.de und der Blog nordkind haben plattdeutsche Wörter wie plietsch, Plüschappel und muksch gesammelt, um für diese Sprache zu werben. Die Titelseite der Nordsee-Zeitung ist zum europäischen Tag der Sprachen sogar komplett auf Platt erschienen. Der Heimatverein Delmenhorst veranstaltet am 26. September einen Plattdeutsch-Tag. Als Problem wird hier die Vermengung von Hochdeutsch mit Plattdeutsch gesehen, eine Form die auch als Missingsch bezeichnet wird. Der Heimatverein unterstützt mit Wörterbüchern den aktiven Gebrauch der niederdeutschen Sprache und trägt so dazu bei, dass das „Niederdeutsche nicht zu einer musealen Sprache verkommt“. (kleiner-kalender.de, edl.ecml.at, nord24.de, nordkind.blog, nord24.de, noz.de)

Medien: 40 Jahre taz

Am 27. September 1978 erblickte die erste Ausgabe der taz im Berliner Wedding das Licht der Bundesrepublik – kaum einer hätte es damals für möglich gehalten, dass die kleinste überregionale Zeitung Deutschlands 40 Jahre später immer noch lebt. Das Blatt „gegen Propaganda-Müll und Verlautbarungsdünnsäure“ (Eigenwerbung 1987) entstand als Reaktion auf den Deutschen Herbst 1977, als linke Studentengruppen, Atomkraftgegner und die Friedensbewegung von den staatstragenden Medien zum „Sympathisantensumpf“ gezählt wurden. War die taz in den Anfangsjahren teils noch unprofessionell, aber oft auch erfrischend witzig (der Säzzer!), wurde ihr später eine zu große Nähe zur rot-grünen Koalition nachgesagt. Kritiker meinen, die taz betriebe mittlerweile vorwiegend „linken Wohlfühljournalismus und sei von liberalen Zeitungen nicht mehr zu unterscheiden“. Witzig-ironische Schlagzeilen sind fast ein Markenkern der taz. Der VDS vergab 2011 die Auszeichnung Schlagzeile des Jahres für „Brüderle bei Ehrlichkeit ertappt“ mit der nach Ansicht des VDS die Schlitzohrigkeit des bekannten FDP-Politikers präzise auf den Punkt gebracht wurde. Ein Klassiker ist auch „Es ist ein Mädchen!“ mit dem die taz am 11. Oktober 2005 die Wahl Angela Merkels zur Kanzlerin meldete. (haz.de, deutschlandfunk.de, blogs.taz.de, taz.de, taz.de, taz.de, taz.de, vds-ev.de)

Leichte Sprache

In einem Kommentar der WELT hat die Journalistin Susanne Gaschke eine Beilage der Bundestags-Zeitung Das Parlament in „Leichter Sprache“ kritisiert: „Die Beilage drückt komplizierte Dinge nicht einfach, sondern dumm aus. Sie ist der Inbegriff von Herablassung“. Und weiter: „Die Redaktion der „Sendung mit der Maus“ zeigt seit 47 Jahren, wie man komplizierte Sachverhalte so darstellt, dass auch Kinder sie verstehen können. Sie ist dabei nie herablassend, nie respektlos gegenüber ihren Zuschauern und nie grausam gegen die Grammatik“. Diese Kritik fand starken Widerspruch in vielen Kommentaren, die der Journalistin vorwerfen, den Sinn der „Leichten Sprache“ nicht verstanden zu haben. Die gehörlose Inklusions-Aktivistin Julia Probst schrieb auf Twitter, „der WELT-Artikel triefe vor Ahnungslosigkeit und Arroganz“. Das Konzept der „Leichten Sprache“ ist, Alltags- und Fachsprache für Menschen mit kognitiven Behinderungen verständlich zu machen, und richtet sich vornehmlich an Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen. Der VDS hat 2017 zur schleswig-holsteinischen Landtagswahl gegen Wahlbenachrichtigungen in „Leichter Sprache“ protestiert. Allerdings richtete sich diese Kritik an die Adressierung aller Wähler mit grammatisch falschen und abstrus formulierten Wahlbenachrichtigungen und ausdrücklich nicht gegen Versuche, Personen mit Leseschwächen bei der Bewältigung ihres Alltags zu helfen. (welt.de, deutschlandfunk.de, spiegel.de, vds-ev.de)

2. Unser Deutsch

Bombay oder Mumbai?

Warum wechseln Städte ihren international verbreiteten Namen? Warum legen Staaten ihren historischen Namen ab? Warum zum Beispiel Tschechien für Tschechei? Wir gehen der Frage exemplarisch nach und erläutern das Phänomen interner und externer Namen, von Sprachwissenschaftlern Endonyme beziehungsweise Exonyme genannt.
Als der Portugiese Francisco de Almeida im Jahre 1508 die malerische Bucht an der Westküste Indiens entdeckte, nannte er sie bom baia ‚gute Bucht‘. Die Portugiesen gründeten eine Kolonie, verloren sie jedoch 1661 an die Briten, die den Namen der Stadt zu Bombay anglisierten. Die Einheimischen nannten die Stadt schon immer Mumbai, angeblich nach einer Hindu-Göttin. 1996, 30 Jahre nach der Befreiung Indiens von britischer Kolonialherrschaft, beschloss der Stadtrat, künftig nur noch diesen alten Namen zu führen. Die Länder der EU folgen dieser Praxis. In deutschen Medien gilt offiziell Mumbai, Berichterstatter und Reiseführer sagen meist weiterhin Bombay wie die englischsprachige Welt. Die Analyse zeigt: Mumbai ist der interne, vor Ort und in der Sprachgemeinschaft übliche Name, Bombay der externe, außerhalb Indiens verbreitete. Allerdings ist dieser durch die Kolonialherrschaft und die Übernahme des Englischen als Nationalsprache auch zum internen Namen geworden, der bis heute vor Ort benutzt wird. Die Umbenennung möchte die Eigenständigkeit betonen. Das gilt besonders für viele Staaten, die sich von dem Namen früherer Herrschaft befreien: Myanmar für Birma, Simbabwe für Rhodesien und viele andere.
So auch bei unserem tschechischen Nachbarn, der Tschechischen Republik, die sich abgekürzt Česká nennt. Sie hat 1992 die externe Bezeichnung Tschechei, die in Deutschland üblich war, wegen der Nazi-Assoziationen verworfen und auf Rat von Fachleuten den externen Namen Tschechien eingeführt. Dieser Zungenbrecher wird in Nachrichten von Berufssprechern gebraucht und natürlich immer, wenn politische Rücksicht geboten ist. Wird er sich durchsetzen gegen den alten Namen, dessen Missbrauch in Vergessenheit gerät?
In allen diesen Fällen versuchen die Betroffenen, ihren internen Namen auch extern durchzusetzen beziehungsweise ein eigenes Äquivalent einzuführen. Dies hat bei Namen für Staaten seine Berechtigung, nicht jedoch bei Städten. Hier sind externe Namen ein weltweit verbreitetes Phänomen. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, Städte außerhalb ihres Sprachgebiets selbst zu benennen. Oft hat dies lange Traditionen, wenn wir Venezia als Venedig, Firenze als Florenz, Beijing als Peking und auch Wrocław als Breslau benennen. Hierher gehören Landschaftsnamen, zum Beispiel Lombardei für Lombardia. Andererseits heißt München in Frankreich Munich, in Italien Monaco und der Schwarzwald bei Briten Black Forest. Wir haben in der Regel eigene Namen für die Städte und Länder unseres Kommunikationsradius. Das müssen wir uns nicht aus vermeintlicher politischer Korrektheit nehmen lassen. Es wirkt lächerlich, wenn eine Nachrichtensprecherin den Namen Barcelona mit spanischer Spiranz herauslispelt.
Es ist die Globalisierung, welche auf normierte Namen drängt, in der Politik wie in der Kartographie. Gleichwohl ist es unser Recht, an Namen festzuhalten, die schon Jahrhunderte galten. Dass wir Breslau auch heute, wo es eine polnische Stadt ist und intern Wrocław heißt, im Deutschen Breslau nennen, ist keine verbale Rückeroberung, nur Bewahrung unseres Namensschatzes und der Erinnerung an schlesische Geschichte.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

3. VDS-Termine

4. Oktober, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Luv, Schlachte 14, 28195 Bremen

5. Oktober, Region 18 (Rostock)
Mitgliederversammlung mit Wahl der Regionalleiter
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 18, 18059 Rostock

4. Literatur

Gegen das Verlagssterben

Um dem Verschwinden kleiner Verlage entgegenzuwirken und Literaturvielfalt zu fördern, haben die Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger und Thomas Knubben das Tübinger Memorandum initiiert. In einem offenen Brief richten sich die Unterzeichner an die Politik mit der Forderung, der Verlagskrise entgegenzuwirken und den Buchkauf wieder attraktiver zu gestalten. Bereits 2016 meldete der Börsenverein des deutschen Buchhandels einen massiven Rückgang des Buchkaufs in der deutschen Bevölkerung, die Ankündigung der Monopolkommission, die Buchpreisbindung abzuschaffen und die Erhöhung der Portokosten für Büchersendungen tragen ihr Übriges dazu bei, das Verlagswesen zu schwächen. Auch die Presse trage in der Krise eine Verantwortung, da sie kleine Verlage häufig nicht berücksichtige und nur große Titel bespreche. Dies wiederum schrecke den Buchhandel vom Kauf von Büchern zurück, „die möglicherweise nicht verkauft werden“, so Deutschlandfunk Kultur. Vorausgegangen war der Initiative Tübinger Memorandum die Schließung des Tübinger Klöpfer & Meyer Verlags, der in 27 Jahren viele namhafte Schriftsteller hervorgebracht hatte. (deutschlandfunkkultur.de, kloepfer-meyer.de)

5. Denglisch

Jetzt auch die Franzosen

Unsere westlichen Nachbarn galten immer als Vorzeigeland, wenn es um Sprachschutz und Sprachliebe ging. Vor allem gesetzlich wurde viel dafür getan, dass das Französische gefördert wurde und Englisch in Medien und Kultur keine Überhand nehmen konnte. Beispielsweise verabschiedete die Regierung 1994 eine Quote zur Regulierung französischsprachiger Musik, die Radiosender dazu verpflichtete, mindeste 40 Prozent der Sendezeit mit französischen Produktionen zu füllen. Doch nun hat ausgerechnet der Elysée-Palast die Bemühungen der Sprachschützer mit seiner Feier zum „France Digitale [sic!] Day“ untergraben – in bestem „Frenglish“ also, wie das Handelsblatt schreibt. (handelsblatt.com)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

RECHTLICHE HINWEISE
Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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